Feuer frei – Capsaicin

Nur wenige Moleküle besitzen eine regelrechte Fangemeinde… Und viele davon gehören leider dem Bereich der verbotenen Substanzen an… Ein frei verfügbares Molekül, für das die Leute im wahrsten Sinne des Wortes ‚Feuer und Flamme‘ sind, ist Capsaicin (oder: (E)-N-(4-Hydroxy-3-methoxybenzyl)-8-methyl-6-nonensäureamid), jener Bestandteil von Chillischoten, die ihnen ihre unverkennbare Schärfe verleiht.

Capsaicin ist ein Alkaloid, das seinen Namen von der lateinischen Bezeichnung capsicum, dem Gattungsnamen für die Paprika-Gewächse, erhielt. Jenen Pflanzen, in denen dieser „Scharfmacher“ natürlich vorkommt. Wie kommt es nun, dass Mutter Natur ihre chemische Synthesemaschinerie aktiviert und Paprika & Chili einen solchen feurigen Charakter verleiht ? Hierfür gibt es zwei Theorien:

  1. Vögel vs Säugetiere – Eine Frage der Fortpflanzung

    Ein interessanter Umstand ist, dass nur Säugetiere Capsaicin als scharf empfinden. Nicht jedoch Vögel, deren Nervenzellen anders aufgebaut sind. Auf diese Art und Weise werden Säugetiere vom Verzehr der scharfen Schoten abgehalten, während Vögel sich unbeeinträchtigt daran schadlos halten können. Der Vogel kann im Fluge nun weitere Strecken auf die Schnelle überbrücken und sorgt so für eine weite Verbreitung der mitverzehrten Paprikasamen mittels Vogelschiss. Weitaus effektiver, als dies durch die am Boden lebenden Säugetiere bewerkstelligt werden könnte.

  2. Chemische Keule gegen Pilze

    Theorie 2 fußt auf dem Entdeckung, dass Paprika-Arten, die in Arealen mit hohem Befall durch Pilze der Gattung Fusarium wachsen, einen höheren Gehalt an Capsaicin besitzen, das ein natürliches Fungizid ist. Scharfe Chilis besitzen somit einen effektiveren Schutz vor Pilzen, als solche ohne. Den Rest erledigt die Evolution.

Diesem Naturstoff kommt nun ein gesteigertes Interesse vieler Menschen zu, da er in kulinarischem Sinne ein feuriges „Geschmacks“erlebnis bereitet. Geschmack steht hier in Anführungszeichen, weil es sich bei Capsaicin entgegen landläufiger Meinung kein Aromastoff ist. Scharf ist kein Geschmack, wie Süss, Sauer, Bitter, Salzig oder Umami, sondern eine Art Schmerzempfindung, die dem eines Hitzereizes nahe kommt. Ein Umstand den man sich auch bei der Herstellung von Wärmepflastern in der Pharmazie zu Nutze macht. Neben dem typischen brennen kommt es zu einer verstärkten Durchblutung und zur Ausschüttung von Endorphinen, den allseits beliebten körpereigenen kleinen Glücklichmachern – ein Effekt der auch „Pepper-high“ genannt wird. Vermutlich auch ein Grund warum scharfe Chilis so beliebt sind. 🙂

Medizinisch ist Capsaicin natürlich auch interessant… Nicht zuletzt in Form von Wärmepflastern. Entsprechende Präparate sollen auch bei Rheumaleiden sehr effektiv sein…


Currywurst, Berlin Stil – by Rainer_Zenz
Licensed under CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons – http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Currywurst-1.jpg

Doch zurück zum scharfen Essen. Ein Nahrungsmittel, das in jüngerer Vergangenheit verstärkte Aufmerksamkeit von Capsaicin-Connoisseuren genießt, ist die Currywurst, welche von spezialisierten Currywurst-Buden in zahlreichen Schärfegraden von gar nicht scharf bis Inferno anbieten. Als Beispiele seien hier z.B. das im Hessischen wohl bekannte „Best Worscht in Town“ oder aber Curry24 das hier in Dresden zu finden ist. Dort stößt man auf so klangvolle Namen wie Mundorgasmus, Godfather’s Deathkiss oder „Da Bomb – The final answer“ in Verbindung mit Schärfeangaben wie 1000000 SCU….

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Quelle:
http://www.bestworschtintown.de/

SCU ? Wird sich der Laie jetzt fragen. Hinter diesem Kürzel verbirgt sich die sogenannte Scoville Heat Unit, eine von Wilbur Scoville eingeführte Maßeinheit für Capsaicin-induzierte Schärfe. Konkret verbirgt sich hinter dieser Zahl die Anzahl an Tropfen Wasser, die benötigt werden um ein bestimmtes Quantum eines Chilliextrakts soweit zu verdünnen, dass die Schärfe nicht mehr spürbar ist. Dabei entspricht ein SCU Wert von 16 Millionen reinem Capsaicin ! Dieses Vorgehen hat allerdings den Haken, dass man das Ganze von Testschmeckern verkosten lassen muss. Da bekannter Maßen jede Person eine unterschiedlich ausgeprägte Toleranz gegenüber Schärfe besitzt, ist dies ein recht ungenaues Verfahren. Ausserdem wären bei einem 1 Teil reinem Capsaicin 16 Mio. Teile Wasser zum verdünnen notwendig. Bei 1 Teil = 1 mL bräuchte man 15.000 Liter Wasser ! Daher behilft man sich heute mit instrumenteller Analytik, genauer gesagt HPLC, um die SCU zu ermitteln.

Um sich den Maßstab mal etwas besser zu veranschaulichen:

  • 0 – 10 Gemüsepaprika
  • 100-500 Peperoni
  • 1000-10000 Sambal Oelek
  • 2500-8000 Jalapeno Schote
  • 30000-50000 Cayenne-Pfeffer
  • 1 Mio. Bhut Jolokia Chili (bis 2012 die schärfste Chili der Welt)
  • 2 Mio. Trinidan moruga scorpion (neuer Rekordhalter)
  • 2 Mio. handelsübliches Pfefferspray
  • 9 Mio. Mad Dog 357 No. 9 Plutonium – einer der schärfsten Chiliextrakte der Welt
  • 16 Mio. Blair’s 16 Million Reserve – Reines Capsaicin (Sammlerstück für echte Fans – nicht für den Verzehr gedacht)

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„Trinidad moruga scorpion ripe ready to pick“ by Tparsons –
Licensed under CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons – http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Trinidad_moruga_scorpion_ripe_ready_to_pick.jpg#/media/File:Trinidad_moruga_scorpion_ripe_ready_to_pick.jpg

Überhaupt, was es so an Chilisaucen für den Schärfe-Enthusiasten gibt ist schon enorm. Nehmen wir z.B. die oben erwähnte Plutonium-Sauce… Stolze 109 € für 28 g dieses infernalischen Gebräus verlangt der Fachhändler.

Der streng limitierte Extrakt ist extrem zähflüssig, mehr Paste als Sauce. Das macht ihn extrem schwierig zu dosieren, weshalb wir Ihn für den Verzehr nicht empfehlen. Im formschönen Display-Karton ist er als Sammlerstück besser geeignet.

Wir sehen, das Zeug ist kein Spielzeug. Das verdeutlicht sich schon an den weiteren Warnhinweisen, die der Fachhändler chilibox.de dem potentiellen Käufer mit auf den Weg gibt:

  • Dieser Extrakt ist ein Speisenzusatz und darf keinesfalls pur verzehrt werden!
  • Dosieren Sie diesen Extrakt extrem sparsam und verwenden Sie ihn ausschließlich stark  verdünnt!
  • Haut- und Augenkontakt sind unbedingt zu vermeiden!
  • Verabreichen Sie diesen Extrakt niemandem ohne dessen Wissen und Zustimmung!
  • Halten Sie ihn von Kindern und Jugendlichen fern!

Könnte auch auf einer Chemikalienflasche stehen, die der Fachmann dann mit entsprechenden Gefahrstoff Etiketten kennzeichnen würde. Bei reinem Capsaicin wäre das immerhin:

H301 – Giftig beim Verschlucken, H315 – Verursacht Hautreizungen, H317 – Kann allergische Hautreaktionen hervorrufen, H334 – Kann beim Einatmen Allergie, asthmaartige Symptome oder Atembeschwerden verursachen… Das Zeug hats also in sich. Aber dann ist das o.g. Extrakt auch kein reines Capsaicin und ohnehin nur verdünnt und mit entsprechender Vorsicht zu benutzen. Immerhin, schärfer als Pfefferspray, das auch auf Capsaicin setzt. Diese Präparate, nur zur Tierabwehr verkauft, sollten auch nicht leichtfertig eingesetzt werden, da sie als Waffe eingestuft werden ! Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Tatsache, das Pfefferspray – oder Capsaicin im Allgemeinen – in Kombination mit Rauschmitteln sehr unschöne Effekte besitzt… So kann sich die Letalität von Kokain bis um den Faktor x4 verstärken, wenn der Konsument mit Pfefferspray besprüht wird. Über entsprechende Fälle wurde berichtet.

Doch wir wollen ja nicht direkt das Schlimmste annehmen. Doch was tun, wenn die Currywurst mal wirklich zu scharf war ? Aufgrund der guten Fettllöslichkeit des Capsaicins soll Olivenöl gut helfen. Ebenso bewährt ist auch ein schönes Glas kalte Milch. Das kühlt und das enthaltene Casein soll das Capsaicin binden. Erstaunlicher Weise soll eine 10 % Zuckerlösung auch gute Dienste leisten. Wasser hingegen ist, bis auf einen kühlenden Effekt, relativ nutzlos. Hier müsste man erst die Seife hinzunehmen: auch keine gute Lösung, wenn der Mund brennt. Alkohol kann man auch als Lösungsmittel nehmen… Vielleicht ist das ja auch eine Erklärung dafür, warum die Mexikaner gerne Tequila mögen 🙂

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