Völlig von der Rolle

Aus Anlass der aktuellen Umstände möchte ich mich heute mit einer in diesen schwierigen Zeiten wichtigen Ressource befassen. Nein, es geht nicht etwa um Gold oder andere kostbare Materialien (Kaviar, Diamanten, Drogen…), sondern um DIE Ressource im Zeitalter von CoVID-19 schlechthin: Klopapier, Toilettenrolle, Endlosserviette…

Unlängst sind die Regale im Einzelhandel gründlichst vom kostbaren Endlospapier beräumt. Es finden sogenannte Hamsterkäufe statt, es wird in aberwitzigen Mengen gehortet:

Als mir heute der freundliche Lieferfahrer vom Getränkeservice meinen Mineralwasservorrat wieder auffüllte, wurde ich auch darüber informiert, dass die Firma Flaschenpost.de noch in der Lage ist Toilettenpapier zu liefern, auch wenn es zu durchaus kuriosen Bestellungen kommt: So z.B. gestern geschehen, als der Herr Getränkefahrer einem Kunden 10 Kisten Selterswasser, sowie 10 Ballen Toilettenpapier ins Haus lieferte. Verrückt.

Klopapier im Wandel der Zeiten

Laut Definition handelt es sich dabei um „ein zur einmaligen Verwendung gedachtes saugfähiges, feingekrepptes Hygienepapier aus Zellstoff“.1,2 Also nichts, was unter Normalbedingungen besonders kostbar wäre. Aber da in einer Marktwirtschaft ja Angebot und Nachfrage den Preis regeln, kann so ein Alltagsgegenstand schon mal zu einem Luxusgut mutieren.

Historisch betrachtet ist das Konzept „Toilettenpapier“ so alt wie die Zivilisation. Bereits in archäologischen Funden aus der Hallstattkultur der späten Eisenzeit finden sich Indizien, dass sich die damaligen Menschen, wenn auch nicht mit Papier, so doch mit Pestwurzblättern den Hintern nach erfolgreicher Verrichtung abgewischt haben. Der erste schriftliche Beleg kommt dann aus dem alten China, wo im 6. Jahrhundert der Gelehrte Yan Zhitui schreibt: „Ich würde es nie wagen, Papier mit Zitaten oder Kommentaren aus den Fünf Klassikern oder Namen von Weisen darauf für die Toilette zu verwenden“

Im Gegenzug schreibt ein Reisender im 9. Jahrhundert über die Chinesen: „Sie (die Chinesen) sind nicht sehr sorgfältig mit Sauberkeit, und sie waschen sich nicht mit Wasser, wenn sie ihr Geschäft erledigt haben, sondern wischen sich nur mit Papier ab.“ Dabei wirken die Reinigungsrituale andern Ortes deutlich kruder: So kommen Lumpen (abgetragene Textilien), Schwämme, sowie lebendes Federvieh(!)3 zum Einsatz um sich damit den Allerwertesten abzuwischen. Die Frage, ob aus dieser Zeit auch die Beleidigung „Du Kackvogel !“ stammt, muss leider offen bleiben.

Aber die Verwendung von Textilien zu diesem Zwecke ist im Mittelalter verbreitet. Je nach sozialer Stellung entweder grob gewirkter Wollstoff für das Volk oder feineres Gewebe mit Seidenapplikation bei den Reichen und Mächtigen. Die Verwendung von Papier setzt sich erst mit der industriellen Papierfabrikation durch. Mit dem Übergang vom Plumpsklo zum Wasserklosett mit Anschluss an die Kanalisation steigen dann auch die Ansprüche an das Material, welches schließlich nicht Rohre oder Kanäle verstopfen soll. Erst als einzelne Blättchen in Schachteln verkauft, findet sich dann im Fachblatt der Papierhersteller, der Papier-Zeitung, um 1879 dann der erste schriftliche Hinweis auf gerolltes, perforiertes Endlospapier. Damals noch als simples, raues und vor allen Dingen einlagiges Krepp-Papier auf Rollen zu 1000 Blatt. Der Charmin-Bär mit seinem superflauschigen Papier würde das kalte Gruseln kriegen.

Erst die Firma Hakle holte das wesentlich weichere Tissue-Papier über den großen Teich aus den USA nach Westdeutschland. 1972 folgt das 2-lagige und 1984 das 3-lagige Klopapier. Mittlerweile, 2020, ist man längst beim 5-lagigen Papier angekommen.

In der DDR setzte man bis zur Wende weiter auf das Einlagige: „Nicht minder hart, [...]fällt das generationenübergreifende Verdikt über das Toilettenpapier im real existierenden Sozialismus aus: Immer wieder wird es als „rauh“, „hart“, „viel zu dünn“, sogar als „schmerzhaft“ (so eine 1981 Geborene) beschrieben“4

Von der Psychologie des Hamsters

Ja, weich wie ein Feder und doch stark und haltbar wie Leder sollte es sein, das perfekte Klopapier. Dies manifestiert sich dann in Markennamen wie z.B. „Sanft & Sicher“. Und wer sehnt sich in unsicheren Krisenzeiten nach Sicherheit, einem Stück sanfter Kuscheligkeit, die einem auf dem stillen Örtchen halt gibt ? Oder es ist eben die Sorge das die Befriedigung eines zutiefst menschlichen Grundbedürfnisses, nämlich sich nach einem ordentlichen Morgenschiss den Hintern blitzblank zu putzen, abrupt zum Erliegen kommen könnte, die den Menschen zu solchen Hamsterkäufen treibt. Tatsächlich, so kann man von Psychologen erfahren, gibt ein solcher Hamsterkauf ein Gefühl von Kontrolle. In Zeiten in denen vieles unsicher und ungewiss erscheint, nimmt man aktiv die Dinge in die Hand und tut etwas statt ergeben auf das Schicksal zu warten. Man zählt die Rollen ab, trägt diese Heim und hat das gute Gefühl zumindest ein Problem erfolgreich gelöst zu haben. Klopapier ist dabei ein besonders dankbares Hamsterprodukt, da es gut lagerfähig ist und anders als z.B. Hackfleisch oder frisches Gemüse, lange seinen Gebrauchswert behält. Wir empfinden es also gute Investition, denn ob Krise oder nicht, brauchen kann man es immer.

Dieses Phänomen ist aber historisch betrachtet längst kein Präzedenzfall. So kam es in den 1970ern während der Ölkrise in Japan zur „Toilettenpapier-Panik“. Man erwartete, dass mit der Beschränkung der Ölimporte auch eine Verknappung der Toilettenpapier-Vorräte einhergehen würde, was zu Hamsterkäufen führte. Nein, anders als das mittelalterliche Federvieh, blieben die japanischen Hamster vor Schlimmerem verschont, aber die Japaner kauften Papier, was das Zeug hält. Und die dadurch herbeigeführte künstliche Verknappung schien die Gerüchte nur zu bestätigen, was wiederum zu einer noch höheren Nachfrage führte. Merke: Je mehr Hamster, desto mehr Hamster. Oder: Nein, ich kaufe das nicht wegen der Angst vor der Krise, sondern weil ich Angst vor diesen ganzen Irrationalen Hamsterkäufern habe. Man weiß ja nie.

Tokyo – Ob diese Menschen wohl auch gerade Klopapier kaufen wollen ?

Die Japaner scheinen aber tatsächlich ein besonderes Verhältnis zum Toilettenpapier zu haben. Unabhängig von der Corona-Krise, im Jahre 2014 als noch Niemand von den aktuellen Ereignissen ahnte, rief die japanische Regierung im Zuge ihres Katastrophenpräventionstag die Bevölkerung auf Klopapier zu horten. Ja richtig gelesen – zu horten. Es sei ja hinlänglich bekannt, dass bei großen Katastrophen wie Erdbeben ein Mangel an nutzbaren Toiletten zum Problem werde. Nun mag sich der Deutsche denken: Ohne funktionierendes Klo nutzt mir das beste Papier nichts. Nun mag aber für einen Japaner, also einen Bewohner des Landes, in dem HighTech-Toiletten den Hintern des Benutzers automatisch abduschen, der Zustand „nicht benutzbar“ bereits bei Ausfall dieser Duschfunktion erreicht sein.

Was nun tun, wenn das Klopapier knapp wird

Gerade telefonierte ich mit einem Freund aus dem Hessischen. Dieser steht gerade vor dem akuten Problem, dass sein heimischer Vorrat wirklich nur noch aus einer einzelnen Rolle besteht und die Abteilung Hygieneartikel im örtlichen Real nach schwerem Hamsterbefall ausschaut:

Quelle: Holger K.
Quelle: Holger K.

Auch im Online Handel ist die Lage trostlos…

Bei Amazon ist man sich unsicher wann oder sogar OB(!) der Artikel Klopapier jemals wieder lieferbar sein wird. Bleibt die Möglichkeit sich in Fernost, der Werkstatt der modernen Welt, die bekanntlich alles produziert, mit Papier einzudecken. Wenn sie genau heute (20.03.2020) ihr Klopapier bestellen, können sie sich vielleicht schon Anfang Mai wieder den Hintern wie gewohnt abwischen.

Eine pragmatischere Lösung sieht vor, sich im Supermarkt nach gleichwertigen Ersatzprodukten umzuschauen. Etwa bei den Verbrauchsmaterialien für den Küchenbetrieb. Um die dort erhältliche Küchenrolle auf das Format eines handelsüblichen Klosettrollenhalters zu adaptieren und das soeben erbeutete Surrogat über einen möglichst langen Zeitraum zu strecken, empfiehlt sich ein Abstecher in den Baumarkt:

Küchenpapier ist vielleicht nicht ganz so flauschig wie 5-lagiges Luxusklopapier, dafür aber hinreichend Saugfähig und von akzeptabler Textur.

Aber bei dieser Alternativen warnt das Umweltbundesamt zur Vorsicht. Warum dem so ist kann jeder einfach nachvollziehen, der schon einmal ein Taschentuch in der Waschmaschine mitgewaschen hat: Ein dicker Klumpen verfilzte Pappmaché. Da solches Saugpapier darauf ausgelegt ist, größere Flüssigkeitsmengen unfallfrei aufzunehmen, löst es sich eben gerade nicht im Wasser auf. Anders als Klopapier. Das Resultat im schlimmsten Fall: Ein verstopfter Lokus.

Apropos Baumarkt: Von einer Substitution durch dort erhältliche Spezialpapiere rate ich ebenfalls ab. Sicherlich kriegt man mit solchen Hilfsmitteln die „hintere Warenausgabe“ blinkgewischt, allerdings putzt man vermutlich noch mehr weg, als nur den letzten Stuhlgang. Sollte es dennoch unumgänglich sein, immer dran denken: Nur eine sehr feine Körnung verwenden. Zumindest interessant ist der Ansatz mit der universal Allzweckwaffe des Heimwerkers, dem Wundermittel WD-40, ist aber wegen seinem hohen Gehalt an aliphatischen Kohlenwasserstoffen als nicht hautfreundlich abzulehnen.

Eine weitere Variante, die auf Spezialpapier setzt, aber ganz dem Minimalismus verschrieben ist, wird vermutlich am linken Niederrhein in der Hochburg des Karnevals populär sein, aber für alle Nicht-Narren sicherlich etwas zu mühselig sein:

Bewährt aus weniger glorreichen Zeiten der Geschichte: Zeitungspapier oder alte Telefonbücher sammeln und in kleine rechteckige Blättchen schneiden, an einer Ecke lochen und auf ein Stück Kordel aufziehen. Besser als nix, verstopft aber auch die Rohre und hinterlässt im ungünstigsten Fall Druckerschwärze auf dem Podex.

Eine relativ interessante Idee wurde mir auch aus dem Bekanntenkreis zugespielt, die direkt zwei aktuelle Probleme des Zeitgeschehens löst: Nur ein paar Wochen ist es her, dass die neue Bonpflicht die Gemüter erregte. Also, ich hoffe, Sie haben sich immer brav einen Kassenzettel aushändigen lassen, dann haben sie auch eine veritable Notreserve an Hochleistungs-papier. Das Bisphenol-A, welches im Thermopapier enthalten sein soll, ist zwar sicher nicht besonders gesund, aber vielleicht tötet es ja auch gleich alle anhaftenden Viren (eher unwahrscheinlich).

Bleibt noch die mittelalterliche Variante: Der Kacklappen, also ein feuchter Waschlappen um sich damit den Hintern abzuwischen. Ist sicherlich nicht die angenehmste Alternative, insbesondere nicht nach Vollbringung umfangreicherer Geschäfte. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Selfmade-Variante:

Am Besten gelöst haben es wohl die Franzosen mit ihrem Hockwaschbecken, dem Bidet. Oder die Japaner mit ihrer Hightech-Toilette dem Washlet/Dusch-WC. In beiden Fällen wird der Hintern mit einem Wasserstrahl abgespült. Sehr nachhaltig und einfacher in der Zuführung von Betriebsmitteln. Leider sind solche Vorrichtungen nicht Standard in deutschen Badezimmern, so dass man für dieses Szenario eben flott vom Pott in die Dusche überwechseln muss.

Es sei denn natürlich, sie bewohnen ein Studentenwohnheim, wie es 2005 in Münster/Gievenbeck üblich war: Die dort aus einem Guss gefertigten Plastikverschalungen des Badezimmers erlaubten (fast schon) Duschen und Klogang simultan auszuführen.

Quelle: Chris 73 / Wikimedia Commons / CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)
Quelle: Chris 73 / Wikimedia Commons / CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)

Aber auch dem, der nicht die Dusche verwenden will und nicht den Gartenschlauch durchs offene Badezimmerfenster führen will, kann sich hygienisch den Po abduschen. Dem portablen Bidet sei dank, welches auf den netten Namen HappyPo hört. Ähnlich einer Spritzflasche aus dem Labor, lässt sich nun mit dieser Vorrichtung die Hinterbacken befeuchten:

Quelle: HappyPo.de
Quelle: HappyPo.de

Betrachten wir aber nun mal den umgekehrten Fall. Mal angenommen sie haben sich frühzeitig mit ausreichend Klopapier eingedeckt um damit ein ganzes Bataillon zu versorgen. Ok, mal abgesehen von Stuhlgang im Gegenwert von 30 Jahren, was für Optionen existieren ?

Was stelle ich mit dem Klopapier an ?

Tatsächlich hat sich ein Großhändler für Toilettenpapier einmal die Mühe gemacht eine Statistik für alternative Anwendungsgebiete des „weissen Goldes“ gemacht. Auf welcher Datenbasis allerdings ist unklar:

Aber neben solch offensichtlichen Aktivitäten ist es gar nicht mal so unrealistisch das softe Papier als harte Währung einzusetzen. Wie sich in Krisensituationen bereits mehrfach gezeigt hat, bewähren sich begehrte Tauschobjekte manchmal gegenüber schnödem Geld.

Das Stichwort ist der sogenannte Graumarkt. Also Tauschhandel, der nicht illegal ist, aber fernab der gesetzlich regulierten Bahnen. Dabei werden z.B. schwer zu beschaffene Güter (hier: Toilettenpapier), gegen alles mögliche Andere eingetauscht, was das Herz begehrt. Glauben Sie nicht ? Ein Blick auf ebay-kleinanzeigen.de genügt:

Ein Fall für Bares für Rares ?

Aber man kann auch Klopapier einsetzen, um dem zögerlichen Käufer den Kauf zu versüßen. Normalerweise kennt man das ja nur beim Wechsel von Stromanbietern, dass sie bei 2-jähriger Vertragsbindung noch ein IPad obendrauf packen:

Oder der Fall, wo die Verzweiflung jede Vernunft schlägt:

Und wiederum Angebote, die einen ratlos lassen:

Problem hier: Ist die Krise vorbei oder zumindest der Lieferengpass vorbei, sinkt auch der Kurs des Tauschobjekts. Das Klopapier aber zur Zeit definitiv als Wertgegenstand betrachtet werden muss, wird auch von offizieller Seite bestätigt:

Aber jetzt mal im Ernst… Hamstern ist Mist. Und beobachten wir hier nicht gerade das, was sonst von Allen massiv kritisiert wird ? Während die Einen sich im absoluten Überfluss aalen, reicht es bei den Anderen noch nicht mal zur Deckung des Grundbedarfs. Was also bei Geld unmoralisch ist, wird auch beim Toilettenpapier nicht unbedingt besser. Also liebe Leser, wie die Engländer schon in Krisenzeiten immer sagten: „Keep calm and Carry on“.

Ruhe bewahren, es kommen auch wieder bessere Zeiten !

  1. https://de.wikipedia.org/wiki/Toilettenpapier
  2. https://de.wikipedia.org/wiki/Tissue-Papier
  3. Daniel Furrer: Wasserthron und Donnerbalken. Eine kleine Kulturgeschichte des stillen Örtchens. ISBN 3-89678-248-7.
  4. Rainer Gries: Waren und Produkte als Generationenmarker. In: Annegret Schüle, Thomas Ahbe, Rainer Gries (Hrsg.): Die DDR aus generationengeschichtlicher Perspektive. Eine Inventur. Leipziger Universitätsverlag, Leipzig 2006, S. 271–304, hier S. 296 f.

Ansichtskarten… Gestern… Heute… Morgen ?

Wer eine Reise tut, der kann was erzählen. Was meistens ja nach Rückkehr des Reisenden erfolgt. Um die Daheimgebliebenen aber schon vorher auf dem Laufenden zu halten und an dem Erlebten teilhaben zu lassen, bzw. zu zeigen, dass man an sie denkt oder zumindest ein wenig angeben will, wie schön es am Ort der Reise doch ist, kann man eine Ansichtskarte verschicken.

Für je den Geschmack die passende Karte

Ok, im Zeitalter der Multimedia-kompatiblen Kurzmitteilungen (aka WhatsApp & Co.) und der elektronischen Kommunikation überhaupt, sind Postkarten fast schon ein Anachronismus. Zwischen 1997 (das Internet wird in Privathaushalten zunehmend verfügbar) und 2007 (Smartphones greifen um sich) ist das Volumen an verschickten Postkarten um 75 % zurückgegangen. Tja, warum nur ? Erst einmal, muss man die Karte – Gott bewahre ! – per Hand beschriften und dann – und das ist in unserer kurzlebigen Zeit sicherlich der Hauptgrund – nimmt der Versand auch einige Zeit in Anspruch. Sprich: Ist die Reise kurz oder der Einwurf der Karte in den Briefkasten zu spät, kommt es durchaus vor, dass der Reisende vor der Karte wieder die Heimat erreicht. Versendet man die Karte im Inland, ist die Laufzeit mit einem Tag sehr schnell. Begibt man sich ins Ausland, ist die Laufzeit länger, natürlich entfernungsabhängig und vor allen anderen Dingen unter Berücksichtigung der Zuverlässigkeit der Post des Ursprungslandes. Sehr interessant sind in diesem Zusammenhang die Erkenntnisse aus einem Artikel der Welt.

So kann eine Karte aus Rom bereits nach 2 Tagen in Deutschland ankommen, wird die Postkarte aber aus dem von Rom umschlossenen Areal, welches man auch als Vatikan kennt, verschickt, kann das ganze schon mal 6 Tage dauern. Ebenfalls logisch ist es, dass der Versand von Post schneller geht, wenn er von einem Knotenpunkt des Postsystems, etwa der Hauptstadt eines Landes ausgeht und nicht von einer Insel oder aus der Pampa. Aus eigener Anschauung kann ich hier meine Erfahrung mit der Post in Polen teilen: Sitzt man im landschaftlich sehr idyllischen, aber doch recht entlegenen Masuren, kann es schon mal sein, dass der nächste Postkasten einige Kilometer in der nächsten größeren Stadt zu finden ist und/oder die Urlaubspost an der Rezeption der Pension gesammelt wird und von dort nur alle paar Tage abgeholt wird, um dann die Reise zum Adressaten anzutreten.

Dies gilt natürlich nur für den Fall, dass die Karte einwandfrei (und für den ortsansässigen Postdienst verständlich) beschriftet ist. Andernfalls: Zeitverlust durch Adressermittlungsverfahren ! Wie zum Beispiel bei meiner Korrespondenz mit dem französischen Gesundheitssystem geschehen, wo das Empfängerland von der französischen Post mit der PLZ 00000 ergänzt wurde, was bei der Deutschen Post wiederum zu einem 6-wöchigen Ermittlungsverfahren geführt hat.

Einmal um die Welt mit der Royal Mail

Einmal um die Welt mit der Royal Mail

Und in manchen Fällen geht einfach nur alles schief… Man wirft eine Karte in einen (zugegebenermaßen uralten und ranzigen) Briefkasten in Kensington, London und wundert sich dann, dass die Karte auch nach 3 Wochen noch nicht angekommen ist. Man schreibt die Karte also als verloren ab, nur um nach 6 Monaten überrascht zu werden, dass sie dann doch noch ankommt, nachdem sie einen Umweg über die Philippinen genommen hat. Was da schief gelaufen ist wird wohl ewig ein Mysterium bleiben.

Dennoch erfreut sich das traditionelle Kommunikationsmittel Postkarte einer gewissen Beliebtheit. Vermutlich, da es wie ein Souvenir etwas Haptisches hat – man hat also etwas in der Hand. WhatsApp, Instagram und Facebook hingegen stehen eher für die adhoc Teilhabe am Erlebten und ermöglichen zugleich auch, ganz im Sinne des Gießkannenprinzips, eine ganze Gefolgschaft mit ins Geschehen einzubinden. So betrachtet, kann man sich also als Empfänger einer Karte schon als privilegiert betrachten.

Da Ansichtskarten meist von Reisen verschickt werden, ist die topografische Photopostkarte, ein oder gleich mehrere Highlights des Reiseziels zeigend, die beliebtesten Varianten. Kurioserweise und irgendwie anti-intuitiv ist die Motivseite, die ja der eigentliche Blickfang der Karte ist, laut einschlägiger Definition in Expertenkreisen, die Rückseite(!) der Ansichtskarte. Eigentlich logisch, denn immerhin ist die Karte ja ein Kommunikationsmedium und da sollte ja die Nachricht im Vordergrund stehen.

Die Vorderseite ist bekanntermaßen zweigeteilt: Links die Mitteilung, rechts Porto und der Empfänger. Bei einem Standard A6 Format (es gibt natürlich auch Übergrößen) stehen einem also 10.5 x 7.4 cm Platz für die Urlaubsgrüße zur Verfügung. Wie bei einer SMS oder Tweet heißt es also auch hier: Fasse Dich kurz! Tatsächlich aber findet man oft mehr oder minder kreative Abwandlungen des Grundsujets: Liebe(r) XXX, das Wetter ist gut und das Essen ist toll. Der Urlaubsort ist wunderbar. Gestern waren wir am Strand. Alles Liebe, Deine Erna. Oder ähnliche unspezifische Plattitüden. Aber immerhin, es ist ja der Gedanke der zählt.

Platz war schon zu Kaiser Wilhelms Zeiten kostbar

Platz war schon zu Kaiser Wilhelms Zeiten kostbar

Aber bei manchen Leuten reicht der Platz eben überhaupt nicht. Dabei kann man sich heute noch ob eines recht reichhaltigen Platzangebots (im Vergleich zu früher) glücklich schätzen. Denn in den Pionierzeit der Ansichtskarte war die Vorderseite, formatfüllend, ausschließlich der Anschrift des Empfängers vorbehalten. Etwaige Grußbotschaften waren am Rand der Motivseite anzubringen. Erst um 1905 wurde der Nachricht mehr Platz auf der Vorderseite eingeräumt.

Überhaupt ist das mit der Nachrichtenübermittlung via Postkarte so eine Sache. In unseren modernen Zeiten, wo für alle Kommunikationskanäle maximaler Datenschutz heraufbeschworen wird und keine Kurzmitteilung, im Idealfall, ohne End-to-End-Verschlüsselung verschickt wird, mutet es geradezu kurios an, seine Grüße offen für jedermann lesbar zu verschicken. Dennoch – und das macht die Sache erst recht kurios – unterliegt die Postkarte dem Briefgeheimnis. Bestimmte Gegebenheiten vorausgesetzt. Damit das Briefgeheimnis effektiv greift, muss die Postkarte verschlossen oder durch ein verschlossenes Behältnis gegen Kenntnisnahme besonders gesichert sein. Will heißen, wer die Karte ohne Umschlag verschickt und nicht unter Verschluss aufbewahrt darf sich nicht wundern, wenn der Briefträger sie ließt. Nur eine Postkarte aus einem Briefkasten herausfischen mit dem Vorsatz sie unbefugt zu lesen ist verboten.

So schön der Erhalt von Ansichtskarten aber auch ist, die goldenen Zeiten der Ansichtskarten sind vorbei. Angefangen hat das Ansichtskartenwesen in Deutschland im Jahre 1866. Noch ohne Foto, dafür aber mit einer Lithografie von Jagdmotiven. Es war dann auch nicht eine Grußkarte aus der Sommerfrische, sondern eine Einladungskarte zu einer Treibjagd (8. Dezember 1866, gegen 9 Uhr am Sammelplatz in Westhofen).

Die erste Postkarte in Deutschland

Dies ist aber nur eine von vielen Möglichkeiten, wie die Postkarte ihren Anfang genommen haben mag. Ein allgemeinen Konsens über den Erfinder gibt es nicht. Der Durchbruch der Urlaubskarte kam jedenfalls ungefähr ab 1896 mit aufkommen der Farblithografie und der (schwarzweissen, aber mitunter kolorierten) Fotografie. Der langsam entstehende Tourismus und „Massen“Reiseverkehr mag sicherlich auch sein übriges getan haben. Man denke nur, während man heute schon fast scheel angeguckt wird, wenn man mal ein Jahr nicht in den Urlaub fährt, war dies im 19. Jahrhundert noch ziemlich unüblich. Der erste Baedeker-Reiseführer (Handbuch für Schnellreisende) kam 1835 auf den Markt und Erholungs- und Erlebnisreisen kamen erst gegen Ende des Jahrhunderts auf.

Go digital ?

Go digital ?

Während es früher noch spezielle Verlage gab, die sich auf die Herausgabe von Ansichtskarten spezialisiert hatten, wird der Markt und das Angebot von solchen Karten recht überschaubar. Schon längst lohnt es sich nicht mehr für alle Orte Ansichtskarten zu drucken, sondern nur noch für Reiseziele und Sehenswürdigkeiten mit größerer touristischer Relevanz. Unternimmt man z.B. eine Reise nach dem mittelhessischen Gießen, muss man sich schon etwas anstrengen, um eine Ansichtskarte aufzutreiben. Eine Kompromisslösung scheint daher die Erfindung der Postkarten-App zu sein: Hier wird quasi der Versand eines Digitalfotos vom Smartphone mit einer Postkarte aus Papier vereint. Foto aufnehmen, in der App bearbeiten und mit einer Nachricht versehen. Das ganze dann via Internet an den Anbieter der App übermitteln, der das ganze dann druckt und per Post verschickt.

Ob digital oder ganz Oldschool auf Papier: Beides hat seine Daseinsberechtigung und erfreut den Empfänger.

Brust oder Keule ? Der Weihnachtsschmaus

Es heißt, Liebe gehe durch den Magen. Doch es gibt noch ein anderes Gefühl oder besser Gemütszustand, der durch den Magen geht: die Weihnachtsstimmung. Zu keiner Gelegenheit wird ähnlich tief in die kulinarische Trickkiste gegriffen und gekocht, dass sich die Balken des Esstischs biegen, wie zu Weihnachten.

Bereits während der Adventszeit wird fleißig gebacken und allerhand weihnachtliches Naschwerk für die Feiertage gebunkert oder aus lauter Vorfreude bereits verzehrt. Und dann natürlich die bekannte Frage nach dem Festtagsschmaus.

Die Dreifaltigkeit des Weihnachtsschmaus

Hört man sich in deutschen Landen um, gibt es offenbar drei große Strömungen, denen man folgen kann:

  1. Die Weihnachtsgans

Fairerweise muss man eigentlich Festagsbraten sagen. Die Gans ist sicher die bekannteste Variante, wird aber auch gerne mal gegen eine Ente oder einen Truthahn (besonders beliebt in UK und USA) substituiert. Um die traditionelle Bedeutung des doch recht gehaltvollen Gänsebratens zu ergründen, muss man sich zunächst den eigentlichen Charakter der Adventszeit vor Augen führen. Eigentlich ist diese nämlich eine strenge Fastenzeit. Dem entsprechend freute man sich, wenn diese mit der Christmette am heiligen Abend vorüber war und beging den Anlass mit einem opulenten Festtagsbraten. Dieser musste nicht gezwungenermaßen eine Gans sein: Auch heute noch spricht man besonders im Süddeutschen von der Mettensau, eben jener Sau, die nach der Mette als festtäglicher Schmaus gebraten wurde. Als ordentlicher Christ durfte man es aber damals nicht versäumen, den Festtagsbraten zusammen mit 12 Äpfeln – symbolisch für die 12 Apostel – zu servieren !

Doch was dem Einen als kulinarischer Hochgenuss genügt, taugt dem Nächsten höchstens dazu das Herz zu brechen, ob der Tatsache, dass die possierliche Gans einen Kopf kürzer gemacht wird. Dieser Umstand verhalf zwei Gänsen zu größerer Bekanntheit – der Weihnachtsgans Auguste („Lat mi in Ruh, ick will in min Truh’“), die das Herz der Familie erobert und so dem Bräter entkommt, und der Weihnachtsgans des Bundeskanzler Schröder. Jener Ganter – unpassenderweise auf den Namen Doretta hörend – entkam 2000 dem Schicksal auf dem Teller des Bundeskanzlers zu landen.

Je nachdem welcher Quelle man glaubt, auf Intervention der 9-jährigen Tochter der Kanzlergattin Doris Schröder-Köpf oder aber eben durch Betreiben der deutschen Presse, die eine Parallele zu vom US Präsidenten begnadigten Truthähnen an Thanksgiving herstellen wollte. Jedenfalls wurde Doretta wieder auf den heimischen Geflügelhof entlassen, wo sie bis zum Ende der Schröderschen Kanzlerschaft mittels jährlichem Verrechnungsscheck Rente bezog. Danach wurde Doretta von einem Seniorenheim in Berlin-Zehlendorf adoptiert, wo sie dann bis zu ihrem natürlichen Lebensende unter dem Namen „Herr Schröder“ weiterleben durfte.

  1. Der Weihnachtskarpfen

Fisch genießt ja schon seit altersher einen besonderen Status im Christentum. Der Fisch gilt ja als Erkennungszeichen der Christen, was der Legende nach daher rührt, dass das griechische Wort für Fisch – ἰχθύς ichthýs – eine Art Akronym für eine Kurzform des Glaubensbekenntnis steht (Iēsoûs Christós Theoû Hyiós Sōtér – Jesus Christus Gottes Sohn Erlöser).

Aber auch beim Weihnachtskarpfen spielt die Fastenzeit eine Rolle, denn Heiligabend gehört, nimmt man es genau, zur Fastenzeit.

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Und in der Fastenzeit verzichtet man auf Fleisch. Höchstens Fisch ist erlaubt ! Interessanterweise war man im Mittelalter recht kreativ in der Auslegung, was alles als Fisch durchgeht: Während Muscheln & Krebse auch heute noch vom Fischkoch in seinem Zuständigkeitsbereich toleriert werden, sind Enten, Papageientaucher, Biber und eben Gänse (sprich alles was am Wasser kreucht und fleucht) definitiv extrem liberale Interpretationen des Konzepts Fisch. Dabei gab es aber bereits damals schon Zweifler an dieser Theorie. Da Fische nach damaligem Kenntnisstand in Muscheln heranwuchsen, bezweifelte z.B. Kaiser Friedrich II., dass die Vögel, die er an der Küste beobachtete, wie Fische aufwuchsen.

Und so hat sich der Karpfen bis heute in manchen Gegenden Deutschlands – aber viel mehr noch bei unseren direkten östlichen Nachbarn Tschechien und Polen – als Weihnachtsmahl gehalten. Phänomene wie bei der Weihnachtsgans Auguste darf man bei einem Fisch natürlich nicht erwarten – allerdings war es durchaus Usus den Fisch wegen der besseren Lagerhaltung die letzten Paar Tage vor der Zubereitung in der heimischen Badewanne zu halten. Hier hatte der Karpfen, der vorher womöglich in einem schlammigen Teich großgezogen wurde, die Möglichkeit in klarem Wasser zu schwimmen und etwas von seinem erdigen Geschmack zu verlieren. Ein Sympathieträger ist der Karpfen aber sicherlich nicht geworden. Irgendwann ist man froh, wenn der Okkupant der Wanne weg ist und man in dieser wieder selbst schwimmen darf.

Ein weiterer Grund warum sich der Karpfen zu Weihnachten einer großen Popularität erfreut, ist der aus Tschechien stammende Aberglaube, dass die Schuppen des Karpfens, beim Essen unter den Teller gelegt oder noch besser beim Kleingeld im Portemonnaie aufbewahrt, Reichtum im neuen Jahr bewirken soll. Grund ist die runde, glänzende Gestalt der Schuppen, gleichsam einer Münze.

  1. Würstchen mit Kartoffelsalat

Ok, zugegeben Würstchen & Kartoffelsalat sind jetzt etwas antiklimaktisch, da dieses Essen eher an Kindergeburtstag erinnert als an Festschmaus. Jetzt könnte man diesem vergleichsweise bescheidenen Mahl noch immerhin zu Gute halten, dass es immerhin in die Fastenzeit passt. Doch ist die Beliebtheit dieses schlichten Klassikers eher dem Umstand geschuldet, dass man ihn gut vorbereiten kann, so dass der Aufwand in der Küche am heiligen Abend sich auf ein Mindestmaß beschränkt. Immerhin muss ja noch Bescherung gemacht werden oder die Weihnachtsmesse besucht werden.

Mehrgängemenü

Und für Diejenigen, die sich für keine der Optionen entscheiden können und/oder im Vogtland oder Erzgebirge leben gibt es das Neunerlei, sozusagen ein weihnachtliches 9-Gänge-Menü. Die Zahl 9 symbolisiert dabei die Verdreifachung der heiligen Dreifaltigkeit – Vater, Sohn und heiliger Geist. Beim Neunerlei gibt es allerdings keine allgemeine Menüabfolge. Die genaue Zusammenstellung ist stark regional und von Familie zu Familie unterschiedlich, allen ist jedoch gemein, dass Klöße und Linsen gereicht werden.

  • Bratwurst oder Schweinebraten mit Linsen
    (Linsen damit es nicht am nötigen Kleingeld mangelt)
  • Hering mit Äpfeln
    (um allzeit fischelant, also beweglich zu bleiben)
  • Grütze und Hirsebrei
    (damit das Geld nie ausgeht)
  • Buttermilch oder Semmelmilch
    (für gute Gesundheit im neuen Jahr)
  • Roter Rüben Salat
    (damit man immer rote Wangen behält)
  • Sauerkraut
    (das einem das Leben nicht sauer wird)
  • Klöße, Karpfen oder Hering
    (damit auch das große Geld zu einem kommt)
  • Pilze
    (damit die Früchte der Natur wachsen und gedeihen)
  • gedörrte Pflaumen, Nüsse oder Mandeln
    (damit der Alltag im neuen Jahr gut verlaufen möge)

Begleitet wird das Neunerlei noch von einer Vielzahl an flankierenden Maßnahmen, wie einem zusätzlichen Gedeck für den fremden (armen) Gast. Ebenso wird davon abgeraten während des Essens aufzustehen („sonst wird man bestohlen“ oder „die Hühner verlegen einem die Eier“). Ob das nun alles in die Kategorie Aberglauben einsortiert werden muss und inwiefern sich das mit einem christlichen Hochfest vereinen lässt, überlasse ich dem geneigten Leser zu entscheiden.

Und international ?

Aber damit nicht genug. Neben dem Festschmaus gibt es noch allerhand andere Dinge zum Naschen und Schlemmen. Über den berühmten Dresdner Christstollen haben wir hier ja schon gesprochen. Wem der buttrig-köstliche Christstollen aber trotzdem noch zu trocken sein sollte, der möge sich an unsere Nachbarn im Westen wenden:

Buche-cropped
So bäckt man in Frankreich 🇫🇷 zu Weihnachten schon mal einen Bûche de Noël, einen Weihnachtsscheit (zu Deutsch auch mitunter Bismarck-Eiche genannt). Bei diesem Kuchen im Stil einer Biskuit-Rolle wird mit Schokoladen-Buttercreme ein Holzscheit modelliert. Erinnern soll dieses traditionelle Desert an den Holzscheit, den man früher zu Weihnachten im Kamin verbrannte. Mit dem langsamen verschwinden von offenen Kaminen aus den Haushalten, wurde diese „süße Buche“ von einem Pariser Konditor (erstmals erwähnt 1879) als Ersatz eingeführt.

In Italien 🇮🇹, besonders in der Gegend von Mailand, schwört man auf den Panettone, einen Hefesauerteig-Kuchen mit Rosinen und kandierten Früchten. Fast also das italienische Pendant des Christstollens. Einer Legende nach verpfuschte der Hofbäcker am Hofe des Mailänder Fürsten Ludovico Sforza die Nachspeise des festlichen Weihnachtsgelages. Die Süßspeise – im Ofen verbrannt ! Doch der hilfsbereite Küchenjunge Toni bot sich an in die Bresche zu springen: Er hatte aus übrig gebliebenen Zutaten – Mehl, Butter, Eiern, kandierten Früchten etc. – einen Kuchen gebacken. In der Not nahm der Küchenchef das Angebot dankend an. Und siehe da: Das Backwerk mundete den Gästen des Fürsten gar vortrefflich. Auf die Frage, wie das Gebäck denn heiße, antwortete der Chefkoch „L’è ‚l pan de Toni“ („Das ist Tonis Brot). Voila, der Panettone.

Lutefisk
Hierzulande eher etwas für die Hartgesottenen und Experimentierfreudigen, für die Skandinavier 🇸🇪🇩🇰🇳🇴 aber eine Delikatesse, die in der Weihnachtszeit recht populär ist: Lutefisk. Dabei handelt es sich um speziell in Lauge mehrtägig marinierten Stockfisch von gelatinöser Konsistenz, der mit ausgelassenem Speck, Stampfkartoffeln und Erbsenpüree serviert wird und ob seines milden Geschmacks gerühmt wird. Dazu reicht man Akvavit und Bier. Der Legende nach brannte bei den Wikingern einst eine Birkenholzgestell mit Trockenfisch nieder. Der vom Feuer verschonte Fisch lag dann eine Weile in der vom Regenwetter feucht gewordenen alkalischen Birkenasche, wo er von den hungrigen Wikingern gefunden wurde, die sich daraus ein schmackhaftes Mahl zubereiteten.

Wahrscheinlicher ist aber, dass man bei der Zubereitung von Trockenfisch, diesen gerne in Lauge dehydrierte, damit dieser beim kochen später eine zartere Konsistenz annahm.

Christmas pudding (11927643275)
In Großbritannien 🇬🇧 serviert man gerne einen Christmas Pudding am 1. Weihnachtsfeiertag. Dabei darf man diesen aber nicht mit den deutschen Puddings vergleichen. Bestehend aus Rindernierenfett, Melasse, Rosinen, Brotkrumen, Eiern, Mehl, geriebenen Möhren, Orangen und Mandeln ähnelt der Christmas (oder auch Plum) Pudding im ganz weiten Sinne eher dem deutschen Serviettenknödel. Der Pudding wird auch gerne nach Entnahme aus der Puddingform mit reichlich Brandy getränkt, um den Pudding zu flambieren. Da der Pudding tatsächlich gekühlt recht lange haltbar ist, wird er gerne bereits deutlich im Vorfeld von Weihnachten zubereitet, nämlich am sogenannten Stir-up Sunday. Dabei ist das manuelle Anrühren des Teigs eine recht mühselige Angelegenheit, weswegen man gerne alle Mitglieder des Haushalts involvierte, die sich dann beim Umrühren des Teigs etwas für das kommende neue Jahr wünschen durften. Dabei war es wichtig den Teig von „Osten nach Westen“ zu rühren, um die Drei Heilgen Könige, die aus dem Morgenland (sprich: Osten) kamen, zu ehren.

Ebenso fügte man gerne eine kleine Silbermünze zum Pudding hinzu, die dem glücklichen Finder entsprechend Glück im neuen Jahr bringen sollte. Bedauerlicherweise scheinen diese Gebräuche aber mittlerweile langsam in Vergessenheit zu geraten, da Umfragen in jüngerer Zeit ergaben, dass 2/3 der Befragten britischen Kinder noch nie im Anrühren des Christmas Puddings beteiligt waren. Was daran liegen mag, dass viele Eltern mittlerweile auf fertig vorbereiteten Pudding zurück greifen.

Hühnchen zu Weihnachten

Spricht man von Weihnachtsgebräuchen, ist von Japan 🇯🇵 eher selten die Rede. Doch auch im Lande von Shintoismus und Buddhismus, lässt man es sich nicht nehmen an der weihnachtlichen Freude teilzuhaben. Was nun das Weihnachtsessen angeht hat sich in Japan eine recht eigentümliche Tradition (oder vielleicht Trend?) eingebürgert. Begegnet man nämlich zu Weihnachten in Japan einer rotgewandeten Person mit weißem Bart, muß dies nicht zwangsläufig der Weihnachtsmann sein, sondern niemand anderes als der Hühnerbräter Colonel Sanders, Gründer und Aushängeschild von Kentucky Fried Chicken.

Denn seit den 1970er Jahren wird in Japan aggressiv für Brathühnchen zu Weihnachten geworben, oder anders: クリスマスはケンタッキー (Kurisumasu wa kentakkīdesu – Christmas is Kentucky). Alles Konsequenz des Umstands das Exil-Amerikaner in den 70ern einen beklagenswerten Mangel an Christmas Turkey in Japan feststellten und sich deswegen zu Weihnachten bei KFC trafen um Brathuhn als nächst bestes Truthahnsurrogat zu verzehren. Ein Trend auf den die Japaner gerne aufsprangen. Mittlerweile investiert man umgerechnet bis zu 40$ für sein Checken Dinner zu Weihnachten. Vorbestellungen werden bereits Anfang Dezember angenommen und Wartezeiten von bis zu 2 Stunden sind keine Seltenheit.

Wir sehen also, zu Weihnachten werden auch in kulinarischer Hinsicht weder Kosten noch Mühen gescheut. In diesem Sinne also Frohe Weihnachten und Guten Appetit !

Wenn die Maschinen streiken

Immer wieder hört man, dass Kollege Computer eines Tages dank Automatisierung uns alle arbeitslos machen wird. Wiederum anderswo wird die Rache der Maschinen als mögliches Weltuntergangsszenario heraufbeschworen, z.B. in der Terminator-Reihe, in der das finstere SkyNet mit Killer-Robotern versucht die Menschheit zu Vernichten. Oder im Song Dusche von Farin Urlaub, in welchem sich die Haushaltsgeräte verschwören, den Protagonisten des Lieds meuchlings und hinterrücks zu ermorden.

Terminator Exhibition T-800 - Menacing looking shoot

Gestatten: Arnold – Rebellion der Maschinen

Doch wenn man mal genauer drüber nachdenkt, ist ein solcher Aufwand gar nicht notwendig. Kein Killerroboter muß sich die chromglänzenden Finger schmutzig machen, um der Menschheit tüchtig Einen einzuschenken. Er und seine Maschinenkollegen brauchen sich einfach nur zurückzulehnen und zuzusehen, wie unsere Zivilisation zum Erliegen kommt, wenn die Maschinen aufhören ihren Dienst zu verrichten. Denn: Immer mehr Aspekte des täglichen Lebens sind in zunehmendem Maße von Elektronik bestimmt.

Dies wurde mir gerade vor ein paar Tagen bewußt, als mein Bürocomputer auf Arbeit spontan das Zeitliche segnete. Da war dann erst mal Zwangspause angesagt: Der überwiegende Anteil der arbeitsrelevanten Daten existieren nur noch in elektronischer Form. E-Mails verschicken: Fehlanzeige. Gut, dass ich alle wichtigen Telefonnummern auf einem Stück Papier stehen habe, denn auf das Telefonverzeichnis der Firma (im Intranet) konnte ich ja auch nicht zugreifen, um herauszufinden, wie ich den EDV Experten erreiche !

Ähnlich ergeht es wohl auch vielen im privaten Bereich, wo einige neuralgische Aspekte des täglichen Lebens mittlerweile mit dem Smartphone koordiniert werden. Familie und Freunde anrufen wird schwierig, wenn alle Kontaktdaten in der Cloud stecken und Smartphone & Tablet streiken. Aber anrufen oder SMSen geht ja ohne Telefon eh nicht. Mit etwas Glück erinnern wir uns vielleicht an die Postanschrift und verfassen – ganz oldschool – handschriftlich einen Brief. Ein Phänomen, welches Heutzutage leider aus der Mode gekommen ist.

Aber selbst wenn nur das Handy-Netz ausfällt, ergeben sich daraus schon interessante Komplikationen. Die heutzutage schon als selbstverständlich angenommene ständige Erreichbarkeit ist nicht mehr gegeben. Wer nicht daheim ist, kann auch keine Anrufe entgegen nehmen. Dementsprechend war es früher üblich eine Nummer für tagsüber (für Notfälle) und eine für Abends mit seinen Kontakten zu teilen.

Überhaupt wird Informationsübermittlung, d.h. also auch die mediale Teilnahme am Weltgeschehen, schwierig. Radio und Fernsehen sind elektronisch, von Online Medien (diesen Blog hier eingeschlossen) mal ganz zu schweigen. Wer ließt in unserer schnelllebigen Zeit noch eine richtige Zeitung (vom ruhigen Frühstück am Wochenende mal abgesehen)? Da wird zwischen Tür und Angel in der Straßenbahn mal schnell überflogen, was tagesschau.de und Spiegel Online so bringen.

Auch Online Recherche gibt es nicht mehr. Computer kaputt? Fahrradreifen platt? Rotweinflecken aus einem Seidenhemd entfernen? Tja, bei YouTube hätte es jetzt ein Do-it-yourself-Tutorial-Video gegeben, wie man einfache Reparaturen selbst ausführt. Aber auch anspruchsvollere Recherchen gibt es nicht mehr. So sind in der Wissenschaft alle Fachjournale weitestgehend elektronisch verfügbar. Die Bibliotheken verzichten zunehmen auf die Anschaffung der Printausgaben. Elektronische Kommunikation ist im modernen Wissenschaftsbetrieb nicht mehr wegzudenken.

Nachts um 2 Uhr noch schnell Klamotten kaufen ? Online Shopping !

Während man den täglichen Einkauf auch heutzutage gerne noch offline erledigt und auch vieles Andere ohne große Mühe vor Ort zu beschaffen ist (Ok, kleine Dörfer jetzt mal ausgenommen.), wird es schon etwas kritischer, wenn man etwas ganz bestimmtes Spezielles braucht, dass erst bestellt werden muss. Dann geht offline nämlich erst mal ein mühevolles Wälzen von Katalogen oder eine langatmige Hatz durch den einschlägigen Fachhandel (der das Teil auch gerade nicht an Lager hat) los, der das gerne für sie bestellt. Übernacht Expressversand können wir uns aber abschminken. Ein positiver Effekt ist wiederum, dass der kleinen Händlers um die Ecke gestärkt wird und man den guten persönlichen Kontakt pflegen kann.

In unser Freizeit ändert sich auch so Einiges… Kein Prokrastinieren im Internet, kein Zocken auf der Konsole, kein Fernsehen oder Netflix, kein Musikhören oder „Bubble Witch“-Spielen in der Straßenbahn. Also ab geht’s an die frische Luft. Oder bei Regen mal wieder ein gutes Buch lesen.

So kann man die Aufzählung fast beliebig lange fortsetzen. Neben einiger Erschwernisse, gibt es aber auch in mancherlei Hinsicht hätte gewisse positiven Seiten, wie wir bereits gesehen haben. Zum Beispiel in puncto immerwährende Erreichbarkeit. Neben so ganz offensichtlichen Dingen, dass Niemand gerne nach Feierabend oder im Urlaub vom Chef angerufen werden möchte, hat die ständige Erreichbarkeit auch negative Auswirkung auf unseren Umgang miteinander:

Während früher Verabredungen ein gewisses Maß an Vorausplanung und Zuverlässigkeit erforderten, setzt man heute auf „Spontanität“: Absagen und Planänderungen in letzter Minute und Arrangements a la „Geh schon mal vor, ich komme später und erfrage Deinen Aufenthaltsort“ sind leider im Trend. Ein Aspekt unseres elektronischen Lebens, der entbehrlich ist, denn der Grat zwischen „Spontanität“ und Unzuverlässigkeit ist schmal. Wer früher zu spät kam, hatte Pech gehabt und musste sich dem Ärger der versetzten Gegenpartei stellen. Auch die Kommunikation via SMS, WhatsApp etc., so praktisch sie manchmal ist, hat ihre Schattenseiten. Man mag den Eindruck gewinnen, dass man sich heutzutage nicht mehr soviel Mühe zu geben braucht, um den Kontakt mit seinen Bekannten aufrecht zu erhalten. Eine schnelle Kurzmitteilung und ein paar Fotos im Anhang müssen genügen, um seine Mitmenschen an seinem Leben teilhaben zu lassen, anstelle sich die Zeit für ein persönliches Treffen zu nehmen. Kommt es zu einem Treffen ist es auch eine verbreitete Unsitte ständig mit einem Auge auf’s Smartphone zu schielen und selbiges gut sichtbar auf dem Tisch zu platzieren oder sogar während einer Unterhaltung mal schnell Facebook zu checken. Während dies unter Freunden und Geschäftspartnern schon unhöflich ist, verbietet sich dies ganz besonders beim Essen.

Wir empfehlen: Das lustige Handyspiel (gegen Online Junkies beim Abendessen)

Alle legen Ihr Telefon mit dem Display nach unten in die Mitte des Tischs. Dann wird gegessen. Der Erste, der sein Handy wieder in die Hand nimmt, bevor die gemeinsame Mahlzeit beendet ist, bezahlt die gesamte Rechnung.

Das fortwährende Schielen aufs Handy, das gefürchtete Phantomvibrieren in der Hosentasche und das grundlose Zusammenzucken, wenn das Handy des Nachbarn Geräusche macht: Alles Ausprägungen unserer Angst etwas zu verpassen. Ebenso gibt es Studien, die gefunden haben wollen, dass die ständige mediale Dauerberieselung unseres Gehirns negative Einflüsse auf unser Gedächtnis hat. Der ständige Zustrom an Informationen, lässt uns kaum Zeit das Erfahrene im Gedächtnis abzuspeichern.

Mehr Wohlbefinden durch weniger Smartphone

Als Intervention wider dieses leidlichen Umstands, wurde das sogenannte Digital Detox erfunden. So wie man zur Entgiftung auf Alkohol, Zigaretten und Koffein verzichten kann, so kann man auch zur mentalen Regeneration auf Smartphone und Computer verzichten. Da es dem Menschen aber oft schwerfällt liebgewonnene Marotten abzulegen, hat die Wellness Industrie hierfür die passenden unterstützenden Maßnahmen geschaffen. Von Seminaren, die zu verantwortungsbewußtem Medienkonsum animieren, während das Handy im Safe des Tagungshotels weggeschlossen wird, bis hin zum Digital Detox Bootcamp . Nordic Walking am Busen der Natur zum Beispiel eignet sich hier vortrefflich, ganz besonders dann, wenn kein Handymast mehr in Reichweite ist. Aber solche elektronikfreien Refugien im Funkloch werden immer seltener. Selbst im ländlichen Masuren im Nordosten Polens, wo es mehr Mücken als Menschen zu geben scheint, steht im von Wald- und Seenlandschaft umgebenen 260 Einwohner Dorf Krutyn ein veritabler LTE-fähiger Funkmast.

Für Sie getestet: Holzhütten mit LTE Empfang

Vielleicht tun die Maschinen uns letztendlich sogar etwas Gutes, wenn Sie in den Streik treten. Dann brauchts eben doch den Terminator für den Aufstand der Maschinen. 🙂

Stollensaison

Same procedure as every year… Nein, es ist noch nicht Sylvester und die Adventszeit hat gerade erst begonnen, aber der Verkauf von Weihnachtsgebäck und -leckereien ist schon wieder in vollem Gange. Während mancher auf so einen frühen Start eher verhalten reagiert, sind andere Leute kaum zu bremsen. So soll es z.B. schon vorgekommen sein, dass bei meinem Doktorvater schon pünktlich zum Verkaufsbeginn im September der erste Christstollen auf dem Kaffeetisch stand.

Schmeckt am besten wenn er gut durchgezogen ist… Christstollen !

Und um genau dieses Gebäck soll es heute hier auch gehen… Christstollen als die Spezialität aus Dresden schlechthin. Laut Lexikon ist ein Stollen (oder in manchen Gegenden von Deutschland auch Stolle1) ein Kuchen aus Hefeteig und erhielt seinen Namen vom althochdeutschen Wort ’stollo’ für Pfosten / Stütze. Natürlich ist ein guter Stollen wesentlich schmackhafter und saftiger als ein Holzpfosten, was unter Anderem an seinem Gehalt an Trockenfrüchten (Sultaninen !), Butter und allerlei Füllungen liegen mag.

Dementsprechend gibt es eine Mannigfaltigkeit an verschiedenen Stollensorten:

  • Mandelstollen
  • Marzipanstollen (mindestens 5 % Marzipan)
  • Mohnstollen
  • Nußstollen bzw. -striezel
  • Butterstollen (mindestens 40 Teile Butter und 70 Teile Rosinen, Orangeat und Zitronat)
  • Quarkstollen (mit Quark oder Frischkäse im Teig)

Ein echter Dresdner Christstollen jedoch enthält (auch wenn Manche Anderes glauben) kein Marzipan oder verwegene Füllungen, sondern ist ein besonders gehaltvoller Butter-Rosinen-Stollen. Über die Qualität wacht hier der Schutzverband Dresdner Stollen, der hier eine Art Reinheitsgebot definiert hat. Dieses schreibt vor, dass ein Christstollen auf 100 Teile Mehl mindestens 50 Teile Butter, 65 Teile Sultaninen, 20 Teile Orangeat und/oder Zitronat und 15 Teile Mandeln enthalten muss (plus die sonstigen Zutaten für einen guten Hefeteig) und keine Magarine oder künstliche Konservierungs- und Aromastoffe enthalten darf. Backformen sind ebenfalls nicht gestattet, jeder Stollen wird von Hand geformt. Und obwohl man schon fast von einem standardisierten Produkt sprechen mag, hat jeder Stollenbäcker (über 120 gibt es im Großraum Dresden) seine persönlichen Tricks und Kniffe (sprich ein von den Altvorderen überliefertes Rezept), die dem Endprodukt eine individuelle Note verleiht.

Das Endresultat genießt einen solchen Ruhm, dass man sich diese beliebte Leckerei von der EU als geographisch geschützte Angabe hat eintragen lassen und die Vorgaben dort festschreiben hat lassen. Das liest sich dann so:

Der Stollen besitzt eine ebenmäßige äußere Form, ist angemessen gebräunt und gleichmäßig gebuttert und gezuckert. Er weist eine gut gelockerte Krume mit gleichmäßig verteilten Früchten auf. Der Stollen riecht und schmeckt rein, aromatisch und abgerundet.

Klingt gut und ist es auch. Damit das auch so bleibt, veranstaltet der Stollenverband jedes Jahr eine Stollenprüfung bei der gestandene Stollenbäcker die Qualität der einzelnen Produkte einer rigorosen Prüfung unterziehen und dann der Bäckerei das goldene Stollensiegel erteilen.

Ordnung muss sein ! Stollenprüfung 2017 vor Publikum in der Altmarkt Gallerie

Ordnung muss sein ! Stollenprüfung 2017 vor Publikum in der Altmarkt Gallerie

Wer sich übrigens wundert warum der weiße Puderzucker so gut auf dem Stollen klebt: Die Antwort lautet Butter ! Viel Butter ! Ein Umstand der ein bisschen der historischen Herkunft des Stollens als Fastengebäck widerspricht. Denn: Auch wenn die Adventszeit heute ein munteres Plätzchenfuttern ist, eigentlich ist sie eine Fastenzeit vor dem christlichen Hochfest Weihnachten. Butter war also beim Backen tabu ! Im Urstollen erlaubt waren Wasser, Mehl, Hefe, Hafer und Rüböl. Man kann sich also vorstellen, dass dieses Gebäck für Naschkatzen eher weniger zu empfehlen war.

Da man aber insbesondere bei Hofe und in Adelskreisen nicht gerade auf frugale Kost nach Art von Schmalhans Küchenmeister stand, begab es sich im Jahre 1486 der sächsische Adel bei seinem Fürsten anfragte eine Aufhebung des Butterverbots beim Papst zu erbitten. Und so wandten sich Kurfürst Ernst von Sachsen und sein Bruder Albrecht der Beherzte sich an Papst Innozenz VIII., der das Verbot mit dem Dresdner Butterbrief aufhob.

Mag sein Gebäck auch lieber mit Butter: Papst Innozenz VIII.

Bei aller Opulenz, die Historie des Christstollen kennt auch Durststrecken: Denn zwischen 1949 und 1990 lag die Heimat des Dresdner Christstollens in der DDR. Wenn man sich die Zutatenliste durchliest, so fällt auf, dass Ingredienzen verwendet werden, die in deutschen Landen von Natur aus nicht vorkommen und deswegen aus dem Ausland importiert werden müssen, z.B. Zitronat und Orangeat. Da nun der deutsche Arbeiter- & Bauernstaat klamm an Devisen war, war man auch klamm an besagten Zutaten. Not macht erfinderisch und dem entsprechend versuchte man den Mangel mit heimischen Erzeugnissen auszugleichen, z.B. mit kandierten Möhren (Kandinat M) für Orangeat und kandierten grünen Tomaten (Kandinat T) für Zitronat. Wie das geschmeckt haben muß, kann ich nur raten. Eine Rosinen-Simulation aus Äpfeln war angeblich auch in Entwicklung, konnte aber geschmacklich nicht überzeugen.

Orangeat

Gehört in einen guten Stollen: Orangeat


Doch zurück zum sächsischen Fürstenhof: Jetzt da der Stollen mit Butter verfeinert wurde, war die Begeisterung beim sächsischen Hofe für das Gebäck offenbar derart groß, dass August der Starke anno 1730 anlässlich des Zeithainer Lustlager, einer prunkvollen Truppenschau, sich einen Riesenstollen backen ließ, der über die Stolzen Maße von 7 x 3 x 0,3 m und ein Gewicht von 1,8 Tonnen verfügte. Hierfür wurde extra vom Hofarchitekten Matthäus Daniel Pöppelmann ein riesiger Ofen konstruiert, der den Stollen aufnehmen konnte. Ein solch zünftiger Stollen braucht natürlich auch ein entsprechendes Werkzeug, um ihn in verzehrfertige Portionen zu zerteilen. Hierfür ließ man das „Große Stollenmesser“, ein 1.6 Meter langes Küchenutensil aus Silber anfertigen, mit welchem der Stollen dann in 24000 Portionen aufgeteilt wurde.



Der historische Riesenstollen Augusts des Starken !

Der historische Riesenstollen Augusts des Starken !

Auch heutzutage versucht man sich an riesigen Christstollen. Jedes Jahr anlässlich des Dresdner Stollenfests wird aufs neue ein Riesenstollen gebacken. Die Ausgabe aus dem Jahr 2013, gebacken aus etwa einer Tonne Mehl, zwei Millionen Sultaninen, 563 Kilogramm Butter, 172 Kilogramm Zitronat/Orangeat, 337 Kilogramm Zucker und 120 Liter Jamaika-Rum, brachte es auf stolze 4246 kg und hält damit den Weltrekord. Auf den Riesenofen verzichtet man heute und baut den Stollen aus ca. 500 einzelnen Stollenplatten von etwa 8 kg Gewicht zusammen. Vermutlich keine schlechte Idee, will man das beliebte Szenario „Außen knusprig schwarz und innen roh“ vermeiden. Ist das große Backen erstmal vorbei, werden die einzelnen Platten nach einem ausgeklügelten Verfahren mit reichlich Butter und Zucker zusammengeklebt. Der Maschinenbauer Prof. Kurt Merker tüftelte 1994 ganze 8 Wochen lang daran, wie der Stollen denn nun zusammenzubauen sei und entwickelte sogar eine Vorrichtung zum exakten Stapeln der Platten.

Mauern in der Backstube: Butter statt Mörtel

Mauern in der Backstube: Butter statt Mörtel

Geht man von einem Kaloriengehalt von 416 kcal/100 g aus, hat diese kapitale Köstlichkeit satte 17,7 Mio. kcal. Das entspricht dem Brennwert von 2122 L Benzin, was bei einem Durchschnittsverbrauch von 7 L pro 100 km dafür reicht etwa 3/4 des Äquators mit dem Auto abzufahren ! Das ist natürlich Unsinn. Der Stollenmotor ist leider noch nicht erfunden.

Doch wo Rekorde aufgestellt werden, ist die Konkurrenz nicht weit. So unternahm Lidl (Bereich Niederlande) 2010 im niederländischen Haarlem das Unterfangen einen 72.1 m langen Rekordstriezel zu Backen. Das Gewicht wird im Guinnessbuch nicht überliefert, allerdings darf, EU Verordnung sei dank, zu recht angenommen werden, dass es sich geografisch bedingt um keinen echten Dresdner Christstollen handelte.

Großes Dresdner Stollenmesser Nachbildung 2011

Großes Dresdner Stollenmesser Nachbildung 2011

Ein Großes Stollenmesser gibt es aber immer noch, wenn auch als Replik (und auch für Zuhause). Das Original verschwand leider in den Wirren des 2. Weltkriegs mitsamt des restlichen Silberschatzes der Wettiner. Das Zerteilen des Stollens (nachdem dieser in einem festlichen Umzug durch die Dresdner Altstadt gefahren wurde) erfolgt dann auf dem Striezelmarkt, ausgeführt vom Oberbäckermeister und dem Dresdner Stollenmädchen.

Das Stollenmädchen ist eine weihnachtliche Analogie zur Weinkönigin, also Repräsentantin und Frontfrau für den Dresdner Christstollen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass alle Kandidatinnen für diesen Posten Bäckerinnen-, Konditorinnen- und Bäckereifachverkäuferinnen-Azubis in einer Dresdner Stollenbäckerei sein müssen, da das Stollenmädchen sich natürlich bestens mit der Materie auskennen muß.

Dieses Jahr tritt die Stollenkönigin in seiner 23. Inkarnation in Gestalt der Konditoren-Azubine Hanna Haubold vor die Stollenfans.

Dieses Jahr tritt die Stollenkönigin in seiner 23. Inkarnation in Gestalt der Konditoren-Azubine Hanna Haubold vor die Stollenfans.

So, nachdem wir uns den Christstollen in all seinen Facetten angesehen haben, lässt der Autor nun den Worten die Taten folgen und vergewissert sich selbst, ob das hier angepriesene Produkt auch dieses Jahr seinem Ruf gerecht wird. In diesem Sinne: Frohen 1. Advent !


  1. An dieser Stelle ein schöner Gruß an Anja E. 🙂

 

Mein Hut der hat vier Ecken

imageWer Chemie studiert, der hört selten nach Bachelor, Master oder Diplom auf, sondern setzt noch einen Doktor oben drauf. Eine mühselige Prozedur in die viel Blut, Schweiß & Tränen einfließen (aber oft auch Spaß macht). Dabei dient dieser Prozess nicht der persönlichen Eitelkeit, indem man sich mit einem Titel schmückt, wie es vielleicht das Verhalten mancher Politiker erahnen lässt. Guckt man in die Stellenangebote für Chemiker, so wünschen sich die potentiellen Arbeitgeber fast immer einen Dr. rer. nat. oder artverwandte Spezies.

Nun stellt man sich 3 Jahre ins Labor und forscht munter drauf los, schreibt schließlich eine mehr oder minder dicke Doktorarbeit (meine hat 226 Seiten) und krönt das ganze mit einer Disputation (hier in Gießen sind das 30 min Vortrag + mind. 60 Minuten Prüfung). Und dann kriegt man seinen Doktorhut aufgesetzt. Während besagter Hut zu Zeiten Luthers noch rund war, findet man heutzutage Hüte in Form des anglo-amerikanischen “mortar board”, welches vier Ecken hat.

Traditionell – Modell: Luther

Mortar Board

Während nach traditioneller Art, das ganze ein ernster Vorgang ist, fällt das ganze mittlerweile wesendlich farbenfroher aus. So wird der schwarze 4-eckige Hut mit einer für den Deliquenten individuellen Dekoration versehen, die die jeweiligen Eigenarten des frischgebackenen Doktors oder Anekdoten aus der Zeit der Doktorarbeit thematisieren.

 

Schauen wir uns doch mal ein paar Beispiele für diese Kopfbedeckungen an, die manchmal der selben Kunstfertigkeit wie ein Karnevalsprunkwagen gefertigt sind:

Hut 1 – Rote Locken rocken

Hut 1

Ein beliebtes Motiv sind Modelle der Zielmoleküle des Kandidaten (1). Hier ist das Modell aus Streichhölzern und Fimo gebacken worden. Insgesamt kann so ein Hut bis zu 2 kg Zuladung an Dekoration tragen, die bei diesem Modell, dank diverser Fimo Figuren fast erreicht wurde (z.B. ein Fahrrad, 2). Ein von mir gerne verbautes Element sind Schlumpffiguren, da es zu jedem Thema und Anlass den passenden Schlumpf gibt (3). Eine Besonderheit ist hier die integrierte Perücke Marke Obelix.

Hut 2 – Esel & Wischmopp

1

Die Trägerin dieses Huts mag Esel. Daher die charakteristischen Ohren.

2

Dekorative Doktoranden-Rosette.

3

PhD Comics… Ein von Jorge Cham gezeichneter Comic, der bemerkenswert authentisch das Doktorandenleben charakterisiert.

4

Molekülmodell, hier in Leichtbauweise, mittels eines professionellen Molekülbau-kastens.

5
Wischmopp-Fransen Marke Vileda. Eine Anspielung auf den zukünftigen Arbeitgeber.

Hut 3 – Für panzerfahrende Musikliebhaber ?

1

Hier mal eine Variation des 4-Eckenmotivs. Eher rund wie der Lutherhut. Liegt hier daran, dass die Hutkrempe aus einer Schallplatte gebaut wurde. Der Träger ist ein Freund guter Musik.

2 Eine weitere Variation. Pink & Lila sind das neue Schwarz. Mitunter muss man aufpassen was man sich (explizit nicht) wünscht.
3 Nervenstärkungstonikum
4

Mit Skalpell und roter Farbe verfeinertes Kriegsspielzeug. Der Hutbesitzer spielt gerne das Strategiespiel Axis & Allies.

Hut 4 – Wenn die Frösche in der Lagune quaken

1

Schnitzarbeit aus Styropor, garniert mit Kleister und Seesand. Um der Froschfigur eine schöne Lagune (mit U-Boot, siehe grünes Periskop) zu Bieten.

2

Die Palme wurde aus mehreren Lagen Papier gezwirbelt.

Hut 5 – Sport & Bier

1

Das offizielle Getränk zum Feierabend. Die Büchse wurde garniert mit einem zum Handball-Schlumpf umge-arbeiteten Fußballschlumpf.

2 Ich sag nur: Bundesliga-Fan.
3 Simpsons Konterfei des Kandidaten
4

Oft sind auch Anzüglichkeiten & Schweinereien auf dem Hut versteckt. Hier mal etwas offensichtlicher als im Blickfeld hängende weibliche, sekundäre Geschlechts-merkmale.

Hut 6 – Der Promotionshelm.

1 Deutscher Doktorand mit großer Sympathie für Japan
2

Der Korpus dieses Huts wurde aus einem Schalen-Dewar gefertigt. Das gläserne Innenleben wurde leider Opfer eines Unfalls. Dieser Hut ist dadurch geradezu Helmartig stabil und trotzdem bequem, dank einer Polsterung aus Schaumstoff.

3 Endlos-Sudoku. Komerziell erhältliches Scherztoilettenpapier für längere Sitzungen.
4

Der ganze Hut wurde als Panzer ausgeführt (Der Träger ist Modellbauer). Realisierung durch einen Schuhkarton und eine Küchenpapier-Rolle in Flecktarnmuster.

5

Der wohl erste Panzerschlumpf (ein umgeschulter Go-Kart-Schlumpf)

So sieht übrigens mein Hut aus:

 

Besonders nett finde ich den elektrisch beleuchtbaren Eiffelturm. Der Hut ist übrigens 6-eckig im Stil eines Benzolrings, da ich mich chemisch gerne mit Aromaten beschäftige.

Sprit ist alle

Als ich gerade das Archiv durchstöberte, fiel mir das folgende Kleinod in die Hände. Es war das Jahr 2011 und die Gemüter waren, ob der gerade erfolgten Einführung des neuen E10 Benzins stark erhitzt:

huhu

Mittlerweile ist der Medienhype um die Benzinsorte E10 ja etwas abgeflaut. Aber offenbar ist der “Biokraftstoff” immer noch ungeliebt unter den Autofahrern. Zumindest gemessen an dem was ich eben an meiner bevorzugten Tankstelle beobachtet habe.

Offenbar war dort nämlich das herkömmliche Super leergetankt worden, was dort auf sichtlichen Unmut einiger potentieller Tankkunden stieß. Der zuständige Tankwart war nicht minder betroffen, da offenbar schon den ganzen Nachmittag die Kunden unverrichteter Dinge wieder abzogen, ob des beklagenswerten Spritmangels. Kein Benzin mehr, das muss man sich mal vorstellen. Neben tiefschürfenden Logistikproblemen seitens der Tankstelle, lässt sich vielleicht noch das Phänomen anführen, das die Spritpreise gefühltermaßen Dienstags immer besonders niedrig zu sein scheinen. Vielleicht lockt dieser Anschein besonders viele Leute an die Zapfsäulen.

imageAuch ich bin erst mal weitergefahren… Schließlich findet sich 500m weiter die Strasse runter ja eine weitere Tankstelle. Dort dann das gänzlich umgekehrte Bild… Autoschlangen an jeder Säule die bis auf die Strasse reichen. Für den Betreiber muss das ein Gefühl wie Weihnachten gewesen sein. Für mich als Kunden… eher Aschermittwoch… weniger schön. 20 Minuten auf Sprit warten wollte ich dann doch nicht. So stellt man sich die Spritrationierung in einer Planwirtschaft sozialistischer Prägung Marke kalter Krieg vor. Alternativen… Einmal durch die Stadt fahren zur nächsten Tanke oder E10 tanken ? Dann halt zähneknirschend E10 tanken.

Ich halte es zwar für unwahrscheinlich das der Biosprit schädlich für Motoren ist, aber ob der erhöhte Ethanolanteil den Sprit jetzt nachhaltiger macht… Da streiten sich die Experten. Ich bleib vorerst bei der klassischen Mischung. Hier mal ein kurzer Blick in die Rezeptur für Benzin der Marke Aral (Ottokraftstoffe gem. DIN EN 228):

image

Komplexes Gemisch aus flüchtigen Kohlenwasserstoffen die Paraffine, Naphtene, Olefine und Aromaten mit C-Zahl vorwiegend von 4 – 12.
Kann Sauerstoffverbindungen enthalten. Kann auch geringe Mengen proprietärer leistungssteigernder Additive enthalten.

— Datenblatt Aral Ottokraftstoffe gem. DIN EN 228

Besagtes Gemisch flüchtiger Kohlenwasserstoffe alias Benzin wird in meiner Grafik oben mal durch Hexan als typischen Vertreter für ein n-Alkan repräsentiert, obwohl alles zwischen Kohlenwasserstoffen mit 4 und mit 12 Kohlenstoffen drin sein kann. Ferner diverse Alkohole als Additive und TBME als Antiklopfmittel. Besagtes Klopfen bezeichnet übrigens den Unerwünschten Effekt, dass der Treibstoff im Zylinder durch Selbstentzündung unkontrolliert verbrennt. Als positives Beispiel für einen “klopffesten” Brennstoff dient Isooctan, daher auch der Begriff Octanzahl.

image

Die Grundmischung ist bei allen Anbietern der selbe, also der eigentliche Sprit. Erst mit den geheimen Zusätzen (Additive) verleiht jeder Anbieter seinem Benzin “die persönliche Note”.

Der Mann der aus der Kälte kam

Der Winter ist ja eine eher ungemütliche Jahreszeit. Es fallen einem Worte wie dunkel, nass und kalt ein. Da liegt es nahe, die kalte Jahreszeit etwas fröhlicher zu Gestalten, etwa mit dem „freundlichen Wintersymbol“ par excellence: dem Schneemann.

Tatsächlich ist der Schneemann so beliebt, dass man ihm den 18. Januar als Welttag des Schneemanns (#wdosm) gewidmet hat. Warum gerade der 18. Januar ? Die deutsche Homepage des WDOSM gibt hierfür u.A. folgende Gründe an: Erstens, symbolisiert die 18 ideal einen Schneemann. 8 als Korpus und 1 als Besenstil. Zweitens, Januar als Wintermonat schlechthin. Hier ist die Schneehäufigkeit am größten. Guckt man in die Wetterdaten so haben wir in Dresden im Januar im Durchschnitt 15.4 Schneetage. Check, passt. Gucken wir aber nach Melbourne (Australien) finden wir zwar keine Daten zu Schneetagen, erfahren aber, dass im Januar dort Temperaturen um die 19 °C herrschen. Kein Wunder, auf der Südhalbkugel ist dann Sommer. Ergo: Kein Schneemann.

Eine Schneefamilie (merke: Die Mama ist die mit dem Besen !) Danke an Ina St. für das Bild !

Eine Schneefamilie (merke: Die Mama ist die mit dem Besen !) Danke an Ina St. für das Bild !

Und warum wird der Schneemann gefeiert ? Ok, er ist international bekannt und als „cooler Typ“ bei Alt und Jung beliebt. Aber (Achtung, jetzt kommt’s !): Er ist ein Vorbild für Toleranz ! Ich zitiere:

Schneemänner sind unpolitisch und haben keinen religiösen Hintergrund, aus diesem Grund sind sie auf der ganzen Welt willkommen. Sie kennen keine Vorurteile.

— Quelle http://welttagdesschneemanns.de/

Und ein bisschen Toleranz kann in diesen Tagen nie Schaden.

Die fachgerechte Konstruktion eines Schneemanns erscheint nicht schwierig. Simple Modelle lassen sich bereits durch Aufhäufen von Schnee zu einem Kegelstumpf realisieren. Was die Form hier aber nicht hergibt, muss dann durch die richtigen Accessoires ausgeglichen werden, wie z.B. Kohlestücke für Gesicht und Knöpfe, eine Karotten-Nase, ein Besen, vielleicht auch das eine oder andere Kleidungsstück, wie ein Schal oder ein Zylinderhut.

Modell Kegelstumpf

Modell Kegelstumpf

Der Experte weiß jedoch, dass der Schnee am besten ist, wenn er kurz vor dem Tauen steht, dann lässt er sich nämlich am besten Formen, z.B. zu großen Kugeln rollen, weil er dann gut ‚pappt‘. Am haltbarsten ist der frostige Geselle, wenn es dann in der Nacht nach dem Bauen wieder tüchtig friert und ihm einen soliden Eispanzer verleiht. Falls der Schnee nicht feucht genug dafür ist, kann man ihn auch mit der Gießkanne leicht anfeuchten.

Texas Snow Massacre

Texas Snow Massacre

 

Kleinstschneemann auf dem Fensterbrett -- Danke an Jeannette H.

Kleinstschneemann auf dem Fensterbrett — Danke an Jeannette H.

 

Olaf lebt !

Olaf lebt !

Der Welt größter Schneemann stand übrigens, wen wundert es, im Land, wo es alles in supersized gibt: den USA ! In 2008 errichtete man dort einen 37.2 m hohen Schneegiganten mit Namen Olympia Snowe (zu Ehren der gleichnamigen Senatorin von Maine). Da der Gentleman ja über das Gewicht von Frauen Stillschweigen bewahrt, ist über das Gewicht dieser Giganten nichts überliefert. Ihr Vorgänger aber, „Angus, King of the Mountain“ mit Namen und 34.6 m groß, brachte es angeblich auf ein Gewicht 4080 t. Da muss es also tüchtig schneien, damit man genug Material für so einen Riesen hat.

Ein weiterer prominenter Schneemann, der sogar eine eigene Webpräsenz besitzt, ist Snowzilla aus Anchorage, Alaska. Er ist zwar nicht ganz so groß mit „nur“ 7.6 m Größe, aber er war bereits Mittelpunkt eines politischen Skandals, als die städtischen Behörden in Anchorage sein Wiedererstehen in 2008 fast verhindert hätten.

Quelle: Snowzilla.com

Bei dieser großen Popularität ist es nicht verwunderlich, dass der wohlsortierte Fachhandel verschiedenste Schneemann-zentrierte Paraphrenalien für den Welttag bereit hält:

  • Schneemannbausatz inklusive Schmelzeffekt:
    Schnell mal einen Schneemann kneten, auch wenn draußen kein Schnee liegt. Weiße Knete plus Deko machen’s möglich. Und moderner Forschung sei dank, kann man dann zugucken, wie die das Knetkunstwerk anschließend zerfließt

  • Der Schneemann-Pups:
    Doch Aufgemerkt: Steht der Schneemann auf dem Rasen, ist es schnell passiert, dass er einem auf den selbigen kackt. Zwar ist er stubenrein, aber selten sind ihm Beine gegeben mit denen er auf’s Klo gehen könnte

  • Schneemann-Suppe
    So, jetzt hat das Vieh uns schon die Bude vollgekackt, dann kommt es jetzt zur Strafe in die Suppe. Na gut, dass ist vielleicht ein wenig brutal. Dann greifen wir eben zu folgender Fertigbüchse. Die enthält zwar nur Marshmallow Stücke, dafür müßen aber auch keine Schneemänner sterben.
  • Schneemann-Klo
    Um also dem Schneemann einen standesgemäßen Stuhlgang zu ermöglichen gibt es auch geeignete Maßnahmen:

Also, der WDoSM kann also kommen. Und für die, die auf der Südhalbkugel leben, hier ein kleiner chemischer Gimmick zum Schluss.

Ich geh mit meiner Laterne I

Wenn ich an den Kindergarten/Grundschule zurück denke, ist mir unter Anderem eine Sache besonders lebhaft in Erinnerung geblieben: St. Martin & der zugehörige Laternen-Umzug. Schon der Schulunterricht war im Vorfeld stark von diesem Fest geprägt, denn die Laternen für den Umzug wollen ja schließlich auch gebastelt werden. Dies bedeutete natürlich jedesmal eine wahre Schlacht mit Schere, Kleber, Fotokarton und farbigem Transparentpapier. Bedingt durch die an die ganze Klasse ausgegebene Themenvorgabe/Bastelanleitung, war dann jede Grundschulklasse beim Laterne laufen dann gut zu unterscheiden.

stmartin

Ein weiterer wichtiger im Vorfeld zu klärender Aspekt ist natürlich die Frage, wie man die Laterne beleuchtet: elektrisch oder traditionell mit Kerze. Da offenes Feuer in Verbindung mit Papier bei mir schon seit jeher einen gesunden Respekt hervorgerufen hat, fiel die Wahl bei mir immer auf den batteriebetriebenen Fackelstock. Da dieser aber offenbar gefühlt jedes Jahr kurz vor St. Martin eine mittelschwere Funktionsstörung hatte musste, für meine Schwester oder mich, mindestens ein neuer herbeigeschafft werden.

Ebenso gehörte zur schulischen Vorbereitung auf das Event das Einstudieren des traditionellen Liedguts: Das „St. Martins-Lied“ war natürlich Pflicht (Ich war schließlich auf einer katholischen Grundschule…) und wurde entsprechend ergänzt durch „Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne…“, „Ich geh mit meiner Laterne“, „Durch die Strassen auf und nieder“, „Lasst uns froh und munter sein“, „Bunt sind schon die Wälder“ und (etwas mundartliches muss ja auch dabei sein) „Loop, Möller, loop !“
Höchster Schloß Tor St Martin
Der St. Martins Abend fing dann erst mal mit einem ökumenischen Gottesdienst an, an welchen sich dann der Laternenumzug von der Kirche durch das Viertel bis zur Grundschule anschloß. Vorne vorweg der hl. Martin hoch zu Roß in seiner glänzenden römischen Legionärsrüstung, hinten dran eine Blaskapelle zur musikalischen Begleitung des Gesangs. An der Schule endete der Umzug dann am großen Martinsfeuer, wo dann die Sage vom hl. Martin, der seinen warmen Mantel mit dem Schwerte teilt und eine Hälfte einem Bettler schenkt, der damit vor dem Erfrierungstod gerettet wird, schauspielerisch reinszeniert wird.

Weckmann

An dieser Stelle betritt nun der zweite Held des Abends die Bühne: der Weckmann oder Stutenkerl. Ein aus süßem Milchweißbrot (Weck) gebackener Mann, der typischerweise mit einer kleinen Tonpfeife verziert ist. (In etwas luxuriöseren Varianten auch mit Rosinen, Mandeln und Zuckerguss erhältlich) Dieses Gebäck wird im Rheinland traditionell zu St. Martin gebacken (und schmeckt besonders gut mit Nutella) Im Anschluss an unseren Grundschulumzug erhielt jedenfalls jedes Schulkind einen solchen Weckmann zum späteren Verzehr.

Für viele Kinder folgte dann das Martinssingen, also von Tür zu Tür zu ziehen und den dortigen Bewohnern ein Martinslied vorzusingen und damit um Süßigkeiten zu erbitten. Bei meiner Familie fiel dieser Teil des Brauchtums aus, es folgte eine andere schöne Tradition: der Martinsgänsebraten mit Rotkohl und Klößen.

Wer nun eine althergebrachte Tradition hinter dem ganzen vermutet hat nur teilweise recht. Der religiöse Bezug, also der Appell an die christliche Nächstenliebe und Barmherzigkeit ist noch gar nicht so alt. Diese wurde größtenteils erst nach dem 1. Weltkrieg im Rheinland mit älteren Gebräuchen zum Martinstag verheiratet. Laternenumzüge, Martinsfeuer, Festschmaus mit Gans und das Heischelaufen der Kinder gab es aber schon vorher.

Der Martinstag am 11. November markierte übrigens den Beginn der Fastenzeit vor Weihnachten. Deswegen wurde am 11. November noch mal ordentlich geschlemmt, schon allein um alle nicht Fasten-kompatible Lebensmittel zu verbrauchen. (Man beachte parallelen zur Fastnacht, zu der man auch noch mal vor Aschermittwoch so richtig die Schwarte knacken lässt)

Nun ist das Rheinland auch eher eine Region mit hohem Anteil an Katholiken. Nun sind allzu religiöse Gebräuche wohl in letzter Zeit eher auf dem Rückmarsch. So hat sich, auch im Rheinland, mittlerweile das aus dem englischsprachigen Raum importierte Halloween bei uns etabliert. In Teil II dieses Artikels möchte ich mich also dieser Alternative einmal widmen. Stay tuned…

Augen auf beim Kaffeekauf

Ein extrem wichtiger Faktor für einen produktiven Arbeitsablauf in vielen Büros ist ein stetiger Nachschub an Kaffee. Deswegen ist fast überall eine Kaffeemaschine vorhanden. Doch der Kaffeekonsum will natürlich auch finanziert werden. Am einfachsten für alle Beteiligten ist es wohl, wenn der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern eine Flatrate auf Kaffee gewährt. Eine andere Möglichkeit bieten Pad- und Kapselmaschinen. Hier kann dann nicht nur jeder seinen individuellen Vorlieben in punkto Kaffeesorte frönen, sondern ist auch selbst für den Einkauf seines Kaffees verantwortlich.

Das Problem

Wird der Kaffee jedoch zentral eingekauft und die Kosten umgelegt, ist etwas organisatorischer Einsatz gefordert. Sofern man also keinen Münzautomaten installiert oder eine ganztägig verfügbaren Barista beschäftigt, funktioniert dies nach dem sog. Vertrauenssystem. Pro konsumierter Tasse wird ein bestimmter Betrag in eine Büchse geworfen oder ein Strich auf einer Strichliste gemacht und die Kaffeekosten am Ende des Monats einkassiert. Der kritische Faktor bei diesem System ist jedoch, der Name deutet es schon an, Vertrauen. Es funktioniert nur, wenn brav jeder seinen Beitrag in die Büchse wirft.

Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass gerade bei Pfennigsbeträgen (wir gehen mal von einem Tassenpreis von 15 ct aus), die Zahlungsmoral mancher Leute stark zu wünschen übrig lässt. Dies kann natürlich auch auf Vergesslichkeit zurückzuführen sein; das Resultat ist das selbe: Fehlbeträge in der Kasse, schlechte Stimmung, Zusammenbruch des Kaffeesystems und letztendlich weniger produktive Arbeit.

Die Lösung

Was kann man tun um seine Mitmenschen zu einer besseren Zahlungsmoral zu ermuntern ? Zur Beantwortung dieser Frage empfehle ich die Lektüre einer verhaltensbiologischen Arbeit der University of Newcastle upon Tyne (Cues of being watched enhance cooperation in a real-world setting: Bateson et al. Biol. Lett., 2006, 2, 412. doi:10.1098/rsbl.2006.0509). Im Rahmen einer im hauseigenen Kaffeezimmer durchgeführten Studie wurde der Nachweis erbracht, dass Menschen, die sich beobachtet Fühlen, dazu neigen, sich eher kooperativ und damit auch ehrlicher zu verhalten.

Hierfür wurde die direkt über dem Kaffee hängende Preistafel um ein Bild erweitert, dass in der einen Woche Augen und in der anderen Woche Blümchen abbildete. Resultat: In einer Woche mit einem Augen-Bild wurde 2.76-mal soviel bezahlt, wie in einer Woche, in der nur Blümchen zu sehen waren. Ergo: Augen-Woche gute Zahlungsmoral, Blümchen-Woche schlechte Zahlungsmoral.

Quelle: Bateson, Biol. Lett. 2006, 2, 412.

Quelle: Bateson, Biol. Lett. 2006, 2, 412.

Man beachte auch den Ausdruck der Augen: Modell intensives, fast schon psychopathisch anmutendes, Starren (Woche 1) ist effektiver als weiblicher, leicht lasziver Blick (z.B. Woche 7). Wir sehen also, auch wenn die Kaffeemaschine nicht von außen einsehbar ist und damit ein tatsächliches Beobachten des unzureichenden Bezahlvorgangs unmöglich ist, reicht das Photo von Augen aus, um ein unterbewusstes Gefühl des Beobachtetseins hervorzurufen !