Sprit ist alle

Als ich gerade das Archiv durchstöberte, fiel mir das folgende Kleinod in die Hände. Es war das Jahr 2011 und die Gemüter waren, ob der gerade erfolgten Einführung des neuen E10 Benzins stark erhitzt:

huhu

Mittlerweile ist der Medienhype um die Benzinsorte E10 ja etwas abgeflaut. Aber offenbar ist der “Biokraftstoff” immer noch ungeliebt unter den Autofahrern. Zumindest gemessen an dem was ich eben an meiner bevorzugten Tankstelle beobachtet habe.

Offenbar war dort nämlich das herkömmliche Super leergetankt worden, was dort auf sichtlichen Unmut einiger potentieller Tankkunden stieß. Der zuständige Tankwart war nicht minder betroffen, da offenbar schon den ganzen Nachmittag die Kunden unverrichteter Dinge wieder abzogen, ob des beklagenswerten Spritmangels. Kein Benzin mehr, das muss man sich mal vorstellen. Neben tiefschürfenden Logistikproblemen seitens der Tankstelle, lässt sich vielleicht noch das Phänomen anführen, das die Spritpreise gefühltermaßen Dienstags immer besonders niedrig zu sein scheinen. Vielleicht lockt dieser Anschein besonders viele Leute an die Zapfsäulen.

imageAuch ich bin erst mal weitergefahren… Schließlich findet sich 500m weiter die Strasse runter ja eine weitere Tankstelle. Dort dann das gänzlich umgekehrte Bild… Autoschlangen an jeder Säule die bis auf die Strasse reichen. Für den Betreiber muss das ein Gefühl wie Weihnachten gewesen sein. Für mich als Kunden… eher Aschermittwoch… weniger schön. 20 Minuten auf Sprit warten wollte ich dann doch nicht. So stellt man sich die Spritrationierung in einer Planwirtschaft sozialistischer Prägung Marke kalter Krieg vor. Alternativen… Einmal durch die Stadt fahren zur nächsten Tanke oder E10 tanken ? Dann halt zähneknirschend E10 tanken.

Ich halte es zwar für unwahrscheinlich das der Biosprit schädlich für Motoren ist, aber ob der erhöhte Ethanolanteil den Sprit jetzt nachhaltiger macht… Da streiten sich die Experten. Ich bleib vorerst bei der klassischen Mischung. Hier mal ein kurzer Blick in die Rezeptur für Benzin der Marke Aral (Ottokraftstoffe gem. DIN EN 228):

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Komplexes Gemisch aus flüchtigen Kohlenwasserstoffen die Paraffine, Naphtene, Olefine und Aromaten mit C-Zahl vorwiegend von 4 – 12.
Kann Sauerstoffverbindungen enthalten. Kann auch geringe Mengen proprietärer leistungssteigernder Additive enthalten.

— Datenblatt Aral Ottokraftstoffe gem. DIN EN 228

Besagtes Gemisch flüchtiger Kohlenwasserstoffe alias Benzin wird in meiner Grafik oben mal durch Hexan als typischen Vertreter für ein n-Alkan repräsentiert, obwohl alles zwischen Kohlenwasserstoffen mit 4 und mit 12 Kohlenstoffen drin sein kann. Ferner diverse Alkohole als Additive und TBME als Antiklopfmittel. Besagtes Klopfen bezeichnet übrigens den Unerwünschten Effekt, dass der Treibstoff im Zylinder durch Selbstentzündung unkontrolliert verbrennt. Als positives Beispiel für einen “klopffesten” Brennstoff dient Isooctan, daher auch der Begriff Octanzahl.

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Die Grundmischung ist bei allen Anbietern der selbe, also der eigentliche Sprit. Erst mit den geheimen Zusätzen (Additive) verleiht jeder Anbieter seinem Benzin “die persönliche Note”.

Happy New Year – oder: Im Namen des Katers

Und wieder ist ein altes Jahr vorüber und ein neues nimmt seinen Lauf. Obwohl sich die Silvester1 Nacht auch nur eine Nacht wie alle anderen ist, wird ihr von Vielen eine besondere Bedeutung zugemessen. Eine Nacht, die durch besondere Unternehmungen und Rituale – um es mit Barney Stinson zu sagen – legendär werden soll.

Die prominenteste Maßnahme ist sicherlich das Abschiessen von Feuerwerksraketen und Böllern, welches aus dem vorchristlichen (Aber-)Glauben herrührt, dass man durch Krachmachen böse Geister und damit Unglück und Unheil vertreiben kann.

Und auch der Verzehr von alkoholischen Getränken gehört dazu… Ob als Trankopfer, auf das die Glücksgöttin Fortuna gewogen sei, oder weil es sich beschwipst einfach lustiger feiert sei mal in den Raum gestellt.

Irgendwann jedoch ist die magische Silvesternacht vorbei und das neue Jahr ist da. Vom Feuerwerk bleibt nur noch der „Fallout“ und vom Schwips… Sie ahnen es schon… ein brummender Schädel, der Kater, der Katzenjammer.

„Heute ist der süße Rausch verflogen; der Katzenjammer ist geblieben. Der Katzenjammer!“

— Friedrich Schlögel (Dichter), Aschermittwoch

Kater und Katzenjammer… Scheint so als sei da jemand sehr katzenafin gewesen, als er sich diese Synonyme für den Brummschädel ausdachte. Tatsächlich Stammen diese Wörter jedoch aus der Studentensprache: So ist Kater eine Anspielung auf den gleichermaßen unangenehmen Katarrh… Und Katzenjammer – nun… – ist eine entschärfte Version von Kotzen-Jammer (Eigentlich logisch, wenn ich kotzen muß, ist mir auch immer jämmerlich zu Mute.)

Interessant ist auch die Sicht anderer Kulturen auf den Kater:

Der Spanier sagt resaca - Meeresbrandung oder entgegengesetzt zum Deutschen el ratón - die Maus. Beim Norweger sind es die Zimmermänner (tømmermenn), die im Kuppelkopf (kuppelhue) zugange sind, während sich der Franzose mit einer „Holzfresse“ (gueule de bois) rumplagt.

Doch woher kommt der Katzenjammer ?

Alkohol rein, Wasser raus !

Jeder, der schon mal im Rahmen eines Pub crawl ein gewisses Quantum Bier zu sich genommen hat weiß, dass man eher früher als später „das Bier wegbringen“ muß (sprich: Pipi machen). Dies liegt daran, dass Alkohol die Funktion des Enzyms Vasopressin beeinträchtigt, dass die Rückgewinnung von Wasser aus dem Primärharn fördert. Alkohol wirkt also harntreibend und damit auch entwässernd. Hierbei werden auch wertvolle Elektrolyte ausgeschieden… Beides Faktoren, die den Katzenjammer fördern und auch Erklärungen für den sog. Nachdurst am nächsten morgen oder warum Rollmöpse gerne als Katerfrühstück genommen werden. Daher zwischendurch immer mal ein Wasser einschieben um gut hydriert zu bleiben oder zwischen durch ein paar Salzstangen knabbern um Elektrolyte zuzuführen.

Smells like hangover: Acetaldehyd

Achtung, jetzt wird es chemisch ! Grundlagen der Organischen Chemie – Thema: Oxidation von primären Alkoholen !

Dieses Wissen brauchen wir, wenn wir uns mit dem Abbau von Alkohol befassen wollen. Auftritt: Alkoholdehydrogenase, das Enzym das in der Leber das Ethanol zu Acetaldehyd „abbaut“. (+ ein paar andere Enzyme). Da Aldehyde ziemlich reaktive Moleküle sind, können sie allerhand Unfug in unserem Körper anstellen. Acetaldehyd ist damit einer der Hauptschuldigen für unseren Brummschädel. Gottseidank gibt es aber das Enzym Acetaldehyd-Dehydrogenase, das den Aldehyd weiter zu Acetat, dem Salz der Essigsäure oxidiert, welches dann vom Körper unter Energiegewinnung verbrannt wird. Vorsicht übrigens mit Cocktails und anderem zuckerhaltigem Hochprozentigem (Bowlen, Liköre, lieblicher Wein…) ! Zucker hemmt den Abbau von Acetaldehyd und deswegen haben wir dann am nächsten Morgen einen umso dickeren Kopf.

Fuselöle

Schlagen wir im Wörterbuch nach, so finden wir unter Fusel dort folgende Definition:

Fusel, der
Substantiv
billiger, minderwertiger Schnaps

Hiervon haben auch die Fuselöle ihren Namen, denn sie kommen in minderwertigem Sprit besonders reichhaltig vor. Neben höheren Alkoholen, finden sich noch Fettsäureester, Terpene, Acetate, Carbonsäuren und allerhand andere Stoffe, die als Nebenprodukte der alkoholischen Gärung entstehen. In geringen Maßen dem Geschmack förderlich, verursachen sie im höheren Mengen (>0.1 %) für Kopfschmerzen. Durch sorgfältige Destillation lassen sich diese jedoch zum größtenteils entfernen, weswegen Spirituosen wie Wodka sich weniger Kopfschmerzen verursachen. Weizenbier hingegen ist eine schlechte Wahl, da besonders reich an Fuselölen, wie man in einer Diplomarbeit der FH Münster/Steinfurt (Autor: Siegrun Mohring,) nachlesen kann. Wer mehr Infos möchte folge dem Link (man beachte auch Seite 2 und 3).

How to kill the cat…

Nun denn… Der Schädel brummt, das Gefühl ist flau… Was also tun um die Lebensgeister zu reaktivieren ?

  1. Konterbier

Ein alter Ratschlag empfiehlt: Damit weitermachen, womit man am Vorabend aufgehört hat. Das Konterbier (auch schön: Reparaturseidel, wie die Österreicher sagen) betäubt zwar vielleicht den Schmerz, aber wenn der Alkohol abgeklungen ist, schlägt die Katze umso härter zu. Der Amerikaner spricht in dem Zusammenhang auch vom Hair-of-the-dog (kurz für „hair of the dog that bit you“) in Anspielung auf den Brauch das man früher daran glaubte ein paar Haare des Hundes in eine Hundebisswunde legen müsse, um üble Konsequenzen der Verletzung abzuwehren. Wir sehen: Hund, Katze, Maus… alle Tiere tragen ihren Teil zum Alkohol-induzierten Elend bei.

2. Anti-Katerpräparate

Wenn es um Wunderkuren geht, dann ist schnell die Patentmedizin bei der Hand (Pülverchen und Wässerchen vom Wunderheiler auf dem Jahrmarkt). Ähnlich muten da Anti-Katerpillen an, die man unter Markennamen wie Koa-Koa, RU-21 und KGB-Pille (hat Sowjetische Agenten trinkfest gemacht) im Internet findet. Interessant hierbei ist, dass es sich nicht um eine Detox-Maßnahme (Kater-Kur) handelt, sondern diesen effektiv verhindern oder zumindest abschwächen soll. Ingredienzien wären so Sachen wie Curcuma-Extrakt, Lakritz-Extrakt, Bernstein-Säure, Fumar-Säure, Glutaminsäure, L-Cystein und diverse Vitamine. Alles Wirkstoffe, die den Alkoholabbau unterstützen sollen. Ob der ganze Fokus-Pokus etwas nützt weiß ich nicht, aber die Käufer auf Amazon scheinen zumindest zufrieden zu sein. Könnte aber auch einfach am Placebo Effekt liegen.

3. Katerfrühstück

Alte Hasen schwören auf ein deftiges Katerfrühstück, welches gerne fett- und eiweissreiche Speisen, nebst diversem salzig-sauer Eingelegtem beinhalten kann (Bismarkhering, Essiggurke, Sauerkraut, Rollmops etc.). Während der salzige Hering vielleicht notwendige Elektrolyte zuführt, so sorgen diese Speisen in jedem Fall auch für Durst und animieren so zur Aufnahme von Wasser, was ja bekanntermaßen die Dehydrierung bekämpft.

Im slawischen Raum schwört man auch auf Essiggurken, die man, was angeblich noch besser funktionieren soll, direkt mit dem Gurkenwasser runterspülen soll.

4. Der Anti-Katertrunk

Schon oft hat man es in Filmen gesehen: Der Protagonist hat zu tief ins Glas geblickt und soll nun, um einer misslichen Lage zu entkommen, möglichst schnell wieder fit gemacht werden. Hierzu mixt Protagonist 2 eine scheußlich anzusehende Mixtur (Geheimrezept !) zusammen und flößt diese dem Helden ein. Dieser reißt keuchend die Augen auf und ist instantan wieder putzmunter. In der Barmixer-Sprache nennt man einen solchen Trank „Pick-me-up“ oder „Corpse Reviver“. Besonders populär sind die Bloody Mary und die Prairie Oyster.

Bloody Mary
4 cl Wodka
1 cl Zitronensaft
8 cl Tomatensaft
1 TL Worcestersauce
2 Spritzer Tabasco
eine Prise (Sellerie)Salz
eine Prise Pfeffer
Stangensellerie nach Belieben

Ein klassischer Cocktail. Da aber Alkohol in Form von Wodka enthalten ist, sind wir damit wieder im Bereich des Konterbiers, das es zu vermeiden gilt. Daher besser als Virgin Bloody Mary, also ohne den Schnaps genießen. Der Tomatensaft und das Salz sind aber sicherlich hilfreich.

Prairie Oyster
1 rohes Eigelb
1 TL Ketchup
1 TL Sangrita Picante 
2 Spritzer Essig
1 Spritzer Tabsco-Sauce
1 TL Zitronensaft
1 TL Worcester Sauce
Salz, Cayenne Pfeffer
- Das Glas mit dem Essig ausschwenken
- Eigelb vorsichtig in das Glas geben, dann die restlichen Zutaten hinzufügen
- Die ganze Mixtur, nach Möglichkeit ohne das Eigelb zu zerstören, rasch trinken
-- Quelle: Mixology.eu

Hmmm… Das klingt selbst im Nüchternen Zustand sehr gewöhnungsbedürftig. Das unzerkaute Eigelb soll dabei tatsächlich durch seine Textur eine rohe Auster simulieren, die einem die Kehle runter gleitet. Da allerhand scharfe Sauce zu gegen ist, sollte dieser Drink zumindest im Magen für, sagen wir mal, wohlige Wärme sorgen. Dieser Drink ist tatsächlich bekannt aus Film und Fernsehen: Zu sehen in z.B. Zurück in die Zukunft III.

Wem das zu eklig ist, der kann auch zu einem Kaffee als etwas wohlschmeckenderes Restaurativem greifen. Der hilft zwar vermutlich nur bei leichten Kopfschmerzen, aber ist besser als gar nix. Im übrigen heißt es auch, dass ein Espresso + den Saft einer halben Zitrone ein guter Ersatz für eine Kopfschmerztablette sein soll.

Wem das Alles noch nicht genügt, möge mal in folgender Publikation der American Folklore Society von 1961 nachschlagen, die eine ganze Mannigfaltigkeit von Katerkuren beschreibt, dem Volke direkt vom Maul abgeschaut.

Letztendlich aber, ist wohl die weiseste Entscheidung den Alkohol nur in Maßen zu genießen. Manchmal ist eben Vorsicht besser als Nachsicht.

—Bildquelle: Pixabay.de
  1. Nota bene: Laut amtlicher Rechtschreibung wird der Abend vor Jahreswechsel mit einem i – Silvester – geschrieben, während der Name auch mit y geschrieben werden kann !

Feuer frei – Capsaicin

Nur wenige Moleküle besitzen eine regelrechte Fangemeinde… Und viele davon gehören leider dem Bereich der verbotenen Substanzen an… Ein frei verfügbares Molekül, für das die Leute im wahrsten Sinne des Wortes ‚Feuer und Flamme‘ sind, ist Capsaicin (oder: (E)-N-(4-Hydroxy-3-methoxybenzyl)-8-methyl-6-nonensäureamid), jener Bestandteil von Chillischoten, die ihnen ihre unverkennbare Schärfe verleiht.

Capsaicin ist ein Alkaloid, das seinen Namen von der lateinischen Bezeichnung capsicum, dem Gattungsnamen für die Paprika-Gewächse, erhielt. Jenen Pflanzen, in denen dieser „Scharfmacher“ natürlich vorkommt. Wie kommt es nun, dass Mutter Natur ihre chemische Synthesemaschinerie aktiviert und Paprika & Chili einen solchen feurigen Charakter verleiht ? Hierfür gibt es zwei Theorien:

  1. Vögel vs Säugetiere – Eine Frage der Fortpflanzung

    Ein interessanter Umstand ist, dass nur Säugetiere Capsaicin als scharf empfinden. Nicht jedoch Vögel, deren Nervenzellen anders aufgebaut sind. Auf diese Art und Weise werden Säugetiere vom Verzehr der scharfen Schoten abgehalten, während Vögel sich unbeeinträchtigt daran schadlos halten können. Der Vogel kann im Fluge nun weitere Strecken auf die Schnelle überbrücken und sorgt so für eine weite Verbreitung der mitverzehrten Paprikasamen mittels Vogelschiss. Weitaus effektiver, als dies durch die am Boden lebenden Säugetiere bewerkstelligt werden könnte.

  2. Chemische Keule gegen Pilze

    Theorie 2 fußt auf dem Entdeckung, dass Paprika-Arten, die in Arealen mit hohem Befall durch Pilze der Gattung Fusarium wachsen, einen höheren Gehalt an Capsaicin besitzen, das ein natürliches Fungizid ist. Scharfe Chilis besitzen somit einen effektiveren Schutz vor Pilzen, als solche ohne. Den Rest erledigt die Evolution.

Diesem Naturstoff kommt nun ein gesteigertes Interesse vieler Menschen zu, da er in kulinarischem Sinne ein feuriges „Geschmacks“erlebnis bereitet. Geschmack steht hier in Anführungszeichen, weil es sich bei Capsaicin entgegen landläufiger Meinung kein Aromastoff ist. Scharf ist kein Geschmack, wie Süss, Sauer, Bitter, Salzig oder Umami, sondern eine Art Schmerzempfindung, die dem eines Hitzereizes nahe kommt. Ein Umstand den man sich auch bei der Herstellung von Wärmepflastern in der Pharmazie zu Nutze macht. Neben dem typischen brennen kommt es zu einer verstärkten Durchblutung und zur Ausschüttung von Endorphinen, den allseits beliebten körpereigenen kleinen Glücklichmachern – ein Effekt der auch „Pepper-high“ genannt wird. Vermutlich auch ein Grund warum scharfe Chilis so beliebt sind. 🙂

Medizinisch ist Capsaicin natürlich auch interessant… Nicht zuletzt in Form von Wärmepflastern. Entsprechende Präparate sollen auch bei Rheumaleiden sehr effektiv sein…


Currywurst, Berlin Stil – by Rainer_Zenz
Licensed under CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons – http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Currywurst-1.jpg

Doch zurück zum scharfen Essen. Ein Nahrungsmittel, das in jüngerer Vergangenheit verstärkte Aufmerksamkeit von Capsaicin-Connoisseuren genießt, ist die Currywurst, welche von spezialisierten Currywurst-Buden in zahlreichen Schärfegraden von gar nicht scharf bis Inferno anbieten. Als Beispiele seien hier z.B. das im Hessischen wohl bekannte „Best Worscht in Town“ oder aber Curry24 das hier in Dresden zu finden ist. Dort stößt man auf so klangvolle Namen wie Mundorgasmus, Godfather’s Deathkiss oder „Da Bomb – The final answer“ in Verbindung mit Schärfeangaben wie 1000000 SCU….

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Quelle:
http://www.bestworschtintown.de/

SCU ? Wird sich der Laie jetzt fragen. Hinter diesem Kürzel verbirgt sich die sogenannte Scoville Heat Unit, eine von Wilbur Scoville eingeführte Maßeinheit für Capsaicin-induzierte Schärfe. Konkret verbirgt sich hinter dieser Zahl die Anzahl an Tropfen Wasser, die benötigt werden um ein bestimmtes Quantum eines Chilliextrakts soweit zu verdünnen, dass die Schärfe nicht mehr spürbar ist. Dabei entspricht ein SCU Wert von 16 Millionen reinem Capsaicin ! Dieses Vorgehen hat allerdings den Haken, dass man das Ganze von Testschmeckern verkosten lassen muss. Da bekannter Maßen jede Person eine unterschiedlich ausgeprägte Toleranz gegenüber Schärfe besitzt, ist dies ein recht ungenaues Verfahren. Ausserdem wären bei einem 1 Teil reinem Capsaicin 16 Mio. Teile Wasser zum verdünnen notwendig. Bei 1 Teil = 1 mL bräuchte man 15.000 Liter Wasser ! Daher behilft man sich heute mit instrumenteller Analytik, genauer gesagt HPLC, um die SCU zu ermitteln.

Um sich den Maßstab mal etwas besser zu veranschaulichen:

  • 0 – 10 Gemüsepaprika
  • 100-500 Peperoni
  • 1000-10000 Sambal Oelek
  • 2500-8000 Jalapeno Schote
  • 30000-50000 Cayenne-Pfeffer
  • 1 Mio. Bhut Jolokia Chili (bis 2012 die schärfste Chili der Welt)
  • 2 Mio. Trinidan moruga scorpion (neuer Rekordhalter)
  • 2 Mio. handelsübliches Pfefferspray
  • 9 Mio. Mad Dog 357 No. 9 Plutonium – einer der schärfsten Chiliextrakte der Welt
  • 16 Mio. Blair’s 16 Million Reserve – Reines Capsaicin (Sammlerstück für echte Fans – nicht für den Verzehr gedacht)

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„Trinidad moruga scorpion ripe ready to pick“ by Tparsons –
Licensed under CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons – http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Trinidad_moruga_scorpion_ripe_ready_to_pick.jpg#/media/File:Trinidad_moruga_scorpion_ripe_ready_to_pick.jpg

Überhaupt, was es so an Chilisaucen für den Schärfe-Enthusiasten gibt ist schon enorm. Nehmen wir z.B. die oben erwähnte Plutonium-Sauce… Stolze 109 € für 28 g dieses infernalischen Gebräus verlangt der Fachhändler.

Der streng limitierte Extrakt ist extrem zähflüssig, mehr Paste als Sauce. Das macht ihn extrem schwierig zu dosieren, weshalb wir Ihn für den Verzehr nicht empfehlen. Im formschönen Display-Karton ist er als Sammlerstück besser geeignet.

Wir sehen, das Zeug ist kein Spielzeug. Das verdeutlicht sich schon an den weiteren Warnhinweisen, die der Fachhändler chilibox.de dem potentiellen Käufer mit auf den Weg gibt:

  • Dieser Extrakt ist ein Speisenzusatz und darf keinesfalls pur verzehrt werden!
  • Dosieren Sie diesen Extrakt extrem sparsam und verwenden Sie ihn ausschließlich stark  verdünnt!
  • Haut- und Augenkontakt sind unbedingt zu vermeiden!
  • Verabreichen Sie diesen Extrakt niemandem ohne dessen Wissen und Zustimmung!
  • Halten Sie ihn von Kindern und Jugendlichen fern!

Könnte auch auf einer Chemikalienflasche stehen, die der Fachmann dann mit entsprechenden Gefahrstoff Etiketten kennzeichnen würde. Bei reinem Capsaicin wäre das immerhin:

H301 – Giftig beim Verschlucken, H315 – Verursacht Hautreizungen, H317 – Kann allergische Hautreaktionen hervorrufen, H334 – Kann beim Einatmen Allergie, asthmaartige Symptome oder Atembeschwerden verursachen… Das Zeug hats also in sich. Aber dann ist das o.g. Extrakt auch kein reines Capsaicin und ohnehin nur verdünnt und mit entsprechender Vorsicht zu benutzen. Immerhin, schärfer als Pfefferspray, das auch auf Capsaicin setzt. Diese Präparate, nur zur Tierabwehr verkauft, sollten auch nicht leichtfertig eingesetzt werden, da sie als Waffe eingestuft werden ! Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Tatsache, das Pfefferspray – oder Capsaicin im Allgemeinen – in Kombination mit Rauschmitteln sehr unschöne Effekte besitzt… So kann sich die Letalität von Kokain bis um den Faktor x4 verstärken, wenn der Konsument mit Pfefferspray besprüht wird. Über entsprechende Fälle wurde berichtet.

Doch wir wollen ja nicht direkt das Schlimmste annehmen. Doch was tun, wenn die Currywurst mal wirklich zu scharf war ? Aufgrund der guten Fettllöslichkeit des Capsaicins soll Olivenöl gut helfen. Ebenso bewährt ist auch ein schönes Glas kalte Milch. Das kühlt und das enthaltene Casein soll das Capsaicin binden. Erstaunlicher Weise soll eine 10 % Zuckerlösung auch gute Dienste leisten. Wasser hingegen ist, bis auf einen kühlenden Effekt, relativ nutzlos. Hier müsste man erst die Seife hinzunehmen: auch keine gute Lösung, wenn der Mund brennt. Alkohol kann man auch als Lösungsmittel nehmen… Vielleicht ist das ja auch eine Erklärung dafür, warum die Mexikaner gerne Tequila mögen 🙂

Es gibt Reis, Baby

Nachdem es im letzten Beitrag doch recht kalorienlastig wurde, wollen wir heute mal auf die schlanke Linie achten. Anja fragt:

Ich habe gehört, dass gekochter Reis an Kalorien verliert, wenn man ihn nach dem Kochen über Nacht in den Kühlschrank stellt und dann wieder aufwärmt. Stimmt das und falls ja: Woran liegt dies ?
Anja aus D.

Nun, das hört sich in der Tat etwas esoterisch an. Gerade im Ernährungsbereich findet sich eine Mannigfaltigkeit an pseudowissenschaftlichen Erkenntnissen und Patentrezepten, mit deren Hilfe man sich gesünder ernährt oder ratz-fatz überzählige Pfunde verliert.

Was nun den gekühlten Reis anbelangt, darf man so wie es aussieht optimistisch sein (zumindest so lange, bis eine neue Studie das Gegenteil beweist): Resistente Stärke lautet das Zauberwort ! Reis ist, viel mehr noch als die Kartoffel, ein stärkehaltiges Lebensmittel (Kartoffel 15 %, Reis 89 %) und damit eine Quelle für Kohlenhydrate.

Ausschnitt aus der Strukturformel von Stärke

Ausschnitt aus der Strukturformel von Stärke

Stärke ist ein Polysaccharid, also eine lange Kette aus „Zuckerbausteinen“. Bei der Stärke sind diese Bausteine Glucose-Moleküle (auch: Traubenzucker). Um nun Energie aus der Stärke gewinnen zu können, muss diese lange Glucose-Kette erst mal durch Enzyme in ihre Einzelteile zerlegt werden. An dieser Stelle wird es nun komplex: Stärke ist nicht einfach Stärke, sondern kann in verschiedenen Formen vorliegen, die sich unter Anderem darin unterscheiden, wie die Glucose-Bausteine mit einander verknüpft sind und wie sich die resultierende Polysaccharid-Kette verdrillt, faltet und zusammen lagert.

Diese Form hat nämlich einen starken Einfluss auf die Löslichkeit und darauf, wie gut die Stärke-spaltenden Enzyme (Amylasen) die Stärke abbauen können: Kurzum, wie gut sich die Stärke vom Körper verdaut oder aufgenommen werden kann !

Stärkekörner unter dem Mikroskop - By MKD - Own work, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=30608450

Stärkekörner unter dem Mikroskop – By MKD – Own work, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=30608450

Solche Formen von Stärke, die nicht verdaut werden können (und damit zu den Ballaststoffen gerechnet werden dürfen), bezeichnet man als resistente Stärke.

RS1     Stärke, die in intakten Zellen eingeschlossen ist (lässt 
        sich in nutzbare Form 'aufschließen', z.B. durch
        mechanische Behandlung wie Kauen oder Zermahlen)
RS 2    Stärke, die aufgrund ihrer Struktur für Verdauungsenzyme
        nicht zugänglich ist, aber durch Hitze aufgeschlossen
        werden kann
RS 3    Retrogradierte Stärk, ensteht durch Erhitzen und
        anschließendes Abkühlen von Stärke. Besitzt eine
        kompakte Kristallstruktur, die für Verdauungsenzyme
        unzugänglich ist
RS 4    Modifizierte Stärke

— Wikipedia, Stichwort ‚Resistente Stärke‘

Und RS 3 ist dann beim kalorienarmen Reis des Rätsels Lösung: Resistente Stärke, die durch Erhitzen und anschließendes Abkühlen entsteht. Und auf die genaue Zubereitung kommt es auch an, denn je nachdem wie diese durchgeführt wird (und auch welche Reissorte man verwendet) sind die Resultate stark unterschiedlich. Sudhair A. James, der mit seinen Untersuchungen zu diesem Thema im letzten Jahr in den Medien für Furore gesorgt hat empfiehlt folgendes Rezept:

Wasser zum Kochen erhitzen und Kokosöl zugeben (etwa 3 Gewichts-% der gewünschten Reismenge). Den Reis hinzufügen und 40 Minuten kochen lassen. Abgiessen und 12 Stunden in der Kühlschrank stellen. Welche Rolle dem Öl dabei zukommt ist nicht ganz klar. Angeblich dringt es in die im Reis enthaltenen Stärkekörner ein und bindet sich dort an die Stärke, die dadurch auch resistent wird (Manche Quellen sprechen hier vom Typ RS 5).

Kalter Reis -> Sushi ?

Kalter Reis -> Sushi ?

Ok, für Sushi könnte man diesen kalten Reis schon nehmen. Warm machen könnte man ihn auch: Einen Einfluß auf die resistente Stärke habe dies nicht.

Doch was ist mit anderen stärkehaltigen Nahrungsmitteln, z.B. wenn man Nudeln statt Reis als Beilage bevorzugt ? Offenbar funktioniert der Trick auch mit Nudeln.

Alles in allem also eine interessante Sache, wenn auch man keine Wunder davon erwarten sollte. Der menschliche Metabolismus ist eine komplexe Angelegenheit und wie effizient sogenannte LowCarb-Diäten sind, darüber streiten sich die Experten.

Bunte Wissenschaft

Was der Wissenschaft gefällt, wird darum der Kunst nicht taugen. Beide schauen die selbe Welt, doch mit ganz verschiedenen Augen.

Emanuel Geibel, dt. Schriftsteller (1815 – 1884)

So schreibt schon der Dichter. Und irgendwie hat er damit schon recht. Zumindest wenn man sich mal vor Augen führt, was die Fachliteratur so grafisch hergibt. Nun ist es so, dass in neuerer Zeit jeder Beitrag in einem Fachjournal, neben einer Kurzzusammenfassung, dem sog. Abstract, auch von einem Graphical Abstract begleitet wird. Dabei handelt es sich um eine mehr oder minder aussagekräftige Abbildung, welche die Quintessenz der Publikation dem Leser visualisieren soll. Dabei ist es für den Autor durchaus lohnenswert in diese Abbildung etwas Arbeit zu investieren, denn erlaubt sie doch dem potentiellen Leser beim Überfliegen des Inhaltsverzeichnisses zu entscheiden, ob das jeweilige Paper für ihn von Interesse ist oder nicht.

Während die meisten Abstracts recht schlicht gestaltet sind und der reinen Information dienen, findet man insbesondere in jüngerer Zeit grafische Beiträge die optisch aus der Menge hervorstechen. So z.B. wirkt mancher Graphical Abstract auffallend bunt aus. Als Vorreiter dieses Phänomens ist Niemand anderes als ein gewisser K. C. Nicolaou, einem Urgestein der Naturstoffsynthese und Großmeister der Molekülkolorationen.

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Schon mal bei einem langen Telefonat die Innenräume der Buchstaben in der Zeitung ausgemalt ? Ähnlich sieht eine Abbildung “Nicolaou-Style” aus, bei der alle Ringe mit freundlichen Farben ausgemalt werden (siehe z.B. hier). Aber KCN ist da bei weitem nicht der Einzige. Aber es gibt auch liebevoll gestaltete, regelrechte Kunstwerke zu finden, wie etwa folgender Cartoon einer Arbeitsgruppe aus Kiel:

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Quelle: Journal of Physical Chemistry A, 2012 ASAP

Ist auf alle Fälle ein Eyecatcher. Viele andere Abstracts jedoch legen den Schluss nahe, dass die Autoren unter Geschmacksverkalkung oder zumindest Farbenblindheit leiden. Ein Phänomen das man auch auf Tagungen bei Posterpräsentationen beobachten kann.

Ebenfalls im Journal of Physical Chemistry A erschienen ist folgender Abstract. Als ich diesen Beitrag gesehen habe, musste ich erst einmal ungläubig blinzeln. Denn dieser handgearbeitete Beitrag kann an Minimalismus kaum unterboten werden:

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Doch auch diese Abbildung ist im Vergleich zu folgendem Beitrag noch relativ aufwändig Gestaltet:

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Quelle: Applied Surface Science 2012, 258, 3191.

Liebe Leute am MPI für Eisenforschung: Wenn ihr schon per Hand zeichnet, benutzt bitte ein Lineal.

Ein anderes Genre sind schließlich Beiträge. die unfreiwillig komisch sind. Folgendes Beispiel aus der Supramolekularen Chemie ist in der Hinsicht ein Klassiker und soll hier exemplarisch für eine Reihe von Graphical Abstracts mit Phallus-ähnlichen Strukturen stehen:

image3

Quelle: Inorg. Chem., 2004, 43 (11), pp 3521–3527.

Nicht gerade jugendfrei. Also schneller Themenwechsel und her mit etwas Kontrastprogramm: Chemie mit Tieren. Was passiert wenn man einen Pinguin mit einem Krokodil zur Reaktion bringt ? Genau, es bildet sich ein Guest-Host-Komplex:

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Quelle: Angew. Chem. Int. Ed. 2007, 46, 2366.

Diese und viele andere Beispiele für Kuriositäten aus den Inhaltsverzeichnissen kann man bei TOC ROFL finden, das ich dem chemisch interessierten Leser empfehlen möchte. Wer hingegen noch Anregungen für eigene Druckerzeugnisse braucht, kann bei DrFreddy’s Synthetic Remarks nachlesen wie es gemacht wird.

Schließen möchte ich heute diesen Artikel mit folgender Abbildung und einem schönen Gruß an meine Leserschaft an der Uni Hamburg (und Adamantanchemiker) verbunden mit der Frage:

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Quelle: Angew. Chem. Int. Ed. 2011, 50, 3362.

ORIGINAL ERSCHIENEN AM 21. JUNI 2012 (BLOG.LOEMITONNE.DE)

Cola & Reinheitsgebot

Neulich Abends am Elbufer beim Grillen: Der Eine trinkt Bier, der Andere alkoholfrei eine Cola. Und gerade diese alkoholfreie Alternative ist jüngst unter Beschuss geraten, wie A. hinwies. So hat sich jüngst Stiftung Warentest dem beliebten Gesöff angenommen und mal geguckt, was neben dem oft angeprangerten Zucker so alles drin ist.

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Nun, was ist denn so typischerweise drin ? Schwer zu sagen, denn die Formel nachdem eine Cola hergestellt wird, ist ein Betriebsgeheimnis des jeweiligen Herstellers, allen voran Coca Cola. Viele Versuche wurden unternommen das Geheimnis zu entschlüsseln und diverse Versionen des Rezepts wurden von verschiedenen Leuten enthüllt. Die Art der Zutaten ist mehr oder minder gleich, geheimnisvoll bleibt das genaue Mischungsverhältnis. Als Beispiel soll uns das öffentlich zugängliche Rezept von OpenCola dienen, das als Analogie zu Quellen-offener Software geschaffen wurde:

Flavouring
 10.0 g food-grade gum arabic
 3.50 mL orange oil
 3.00 mL water
 2.75 mL lime oil
 1.25 mL cassia oil
 1.00 mL lemon oil
 1.00 mL nutmeg oil
 0.25 mL coriander oil
 0.25 mL neroli oil
 0.25 mL lavender oil

Concentrate
 2.36 kg plain granulated white table sugar
 2.28 L water
 30.0 mL caramel color
 17.5 mL (3.50 tsp.) 75% phosphoric acid or citric acid
 10.0 mL (2.00 tsp.) flavouring formula
 2.50 mL (0.50 tsp.) caffeine (optional)
 — Lizenz: GNU General Public Licence, OpenCola

Während die Mixtur ziemlich offensichtliche Bestandteile enthält (Zucker, Koffein und Säure), lesen sich die Ingredienzien des Cola Aromas (Flavoring) schon wesentlich spannender, man denkt an Apotheke oder Parfümerie. Wer hätte gedacht das eine Cola auch Lavendel enthalten kann ?

Aber zurück zum Cola-Test. Erstmal: Wer Cola trinkt sollte sich bewusst sein, dass so eine Limo ein gerüttelt Maß an Zucker enthält und das dieser in großen Mengen nicht gesund ist. Daher wirkt es etwas befremdlich, dass Zucker zu Punktabzug im Test führt. Zumal Süßstoffe auch nicht ohne Fehl und Tadel sind.

Jetzt gibt’s Saures

Für mich als Chemiker ist natürlich die Kategorie Chemische Qualität besonders interessant. Nehmen wir zum Beispiel Phosphorsäure… Sollte auch dem Chemie-Laien noch aus dem Chemieunterricht geläufig sein und soll der Cola eine erfrischend säuerliche Note verleihen. Phosphorsäure ist darüber hinaus ja auch als Rostlöser relativ nützlich, vielleicht kann man ja mit Cola auch Metallteile blank putzen ? Wenn man dem Chemie-Didaktiker Prof. Blume glauben schenkt, ist Cola trotz Phosphorsäure eher ungeeignet. Ausnahme: Solche Colas, die auf Zitronensäure setzen ! Ebenso ist auch das Gerücht, Cola könne Fleisch auflösen ein Mythos. Schließlich wäre dann da noch der Vorwurf, das ganze Phosphat würde den Calciumhaushalt stören, sprich letztendlich (besonders bei Frauen) zu spröden Knochen führen. Doch auch dies ist nicht unumstritten, da entsprechende Studien zwar einen Hinweis darauf geben, aber für eine abschließende Bewertung nicht ausreichen. Gesichert gilt lediglich, dass Phosphat schlecht für Leute mit bestehender Nierenerkrankung ist. Also, bis zur endgültigen Klärung der Frage besser mal ein gesundes calciumhaltiges Glas Milch einschieben. 🙂

Koffein macht müde Gesellen munter

Aber wenn ich mich an meine Kindheit erinnere, dann war es nicht der Zucker oder Phosphat, sondern das böse Koffein, vor dem mich meine Mutter gewarnt hat. Deswegen gab es nur zu ausgewählten Anlässen mal eine Büchse mit koffeinfreier Kinder-Cola.

Koffein

Während wohl der typische Koffein-Gehalt der Feld-Wald-und-Wiesen-Cola um die 10 mg/100 mL liegt, gibt es ein paar Marken, die etwas mehr Bums haben: Afri-Cola z.B. schafft 26 mg/100 mL. Aber selbst das ist vergleichsweise zahm, verglichen mit einer Tasse Espresso (40 mg/30mL !) Um das Ganze dann mal in einen gewissen Bezugsrahmen zu stellen: 400 mg / Tag gelten als unbedenklich für den durchschnittlichen Erwachsenen.

Krebserzeugendes Karamell ?

4-Methylimidazol
Eine Vokabel, für die jedoch Klärungsbedarf besteht, ist 4-Methylimidazol (4-MEI). Ein Blick ins Lexikon verrät uns:

 4-Methylimidazol (kurz 4-MEI) ist eine heterocyclische organische Verbindung aus der Gruppe der Imidazole mit der Summenformel C4H6N2. […]
 4-Methylimidazol kann bei Kaninchen, Mäusen und Hühnern Krämpfe auslösen. Des Weiteren konnte bei Ratten und Mäusen eine krebserregende Wirkung festgestellt werden.
 — Quelle: Wikipedia

Das klingt nun wenig appetitlich. Stellt sich also die Frage, wie kommt das Zeug in die Cola ? Übeltäter ist hier das sogenannte Zuckercouleur (E150d, Ammoniumsulfat-Couleur, „caramel coloring“), ein Farbstoff der durch karamellisieren von Zucker entsteht. Karamell entsteht wie jeder weiß, wenn man Zucker in trockenem Zustand auf über 160 °C erhitzt. Zucker wird durch die hohen Temperaturen zersetzt (im Extremfall bis hin zu Kohle) und bildet sowohl größere polymerartige Moleküle (daher auch die zähe Konsistenz von Karamell), als auch kleinere Moleküle, die u.A. den karamellartigen Geschmack erzeugen. Um der dunklen Farbe noch zusätzlich auf die Sprünge zu helfen, gibt man noch Schwefelsäure und Ammoniak hinzu. Gerade das Ammoniak bewirkt nun, dass im Rahmen der Maillard Reaktion auch Stickstoff-haltige Moleküle entstehen, darunter auch unser 4-MEI.

Besagte Studien zur krebserzeugenden Wirkung von 4-MEI in Mäusen, hat nun dazu geführt, dass zumindest in Kalifornien ein strenger Grenzwert definiert wurde. So sind nur 29 µg/Tag zulässig. Dumm nur, dass manche Colas bis zu 700 µg/L (Kaffee sogar 2000 µg/L) enthalten. Da ist man mit einer 0.33 L Dose Cola schon deutlich über dem Grenzwert !

Es sei jedoch angemerkt, dass solche Studien nicht immer so aussagekräftig sind, wie man es idealerweise gerne hätte. So werden die Laborratten häufig ziemlich hohen Dosen ausgesetzt, die so im Alltag nur kaum vorkommen. So argumentiert die amerikanische Lebensmittelsicherheitsbehörde FDA, dass man wohl über 1000 Dosen Cola pro Tag trinken müsste, um sich solchen Mengen an 4-MEI auszusetzen ! Aber der erste Schritt zur 4-MEI freien Cola ist zumindest in Kalifornien schon getan und das ist sicher keine schlechte Entwicklung.

Chlorat – Unkraut-Ex in der Cola ?

Richtig unappetitlich wird’s dann beim Testergebnis von Pepsi Light. Hier will die Stiftung Warentest Chlorat gefunden haben. Und da kommt man schon in arge Erklärungsnöte, dass einem der Cola Ingredienzien zuzuordnen ! So ist Natriumchlorat Hauptbestandteil des Herbizid UnkrautEx gewesen, mit welchem man früher unliebsame Pflanzen einfach „wegoxidiert“ hat. Aber auch in Chlorbleiche findet man den Stoff… Offenbar hat jemand bei Pepsi nach der letzten Grundreinigung nicht gründlich genug nachgespült.

Alkoholfreie Getränke ?

Ebenfalls übelaufgestossen ist auch die Cola eines bekannten Energy Drink Herstellers… Anscheinend ist es auch nicht das erste Mal, dass man ungewöhnliche Inhaltsstoffe in Red Bull Cola findet. 2009 wurde die Cola zum Beispiel wegen angeblichen Kokainspuren aus enthaltenen Kokablatt-Extrakten vom Markt genommen. 2016 ist die Cola zwar Kokain-frei, enthält aber mehr Alkohol als per Gesetzt erlaubt (3 g/L, erlaubt 2 g/L). Ok, das langt noch nicht um sich damit zu betüdeln (ca. 0.38 %Vol), aber dennoch…

Fazit

Wie dem auch sei… Gesünder lebt sicher derjenige, der Cola in Maßen genießt. Ok, die Chlorat-Cola würde ich vielleicht auch komplett vermeiden. Aber man braucht sich sicher keine schlaflosen Nächte machen, nur weil man gerne mal ein Glas Cola trinkt.