The Vorname of the Game

Wenn man so wie ich sich jenseits der 30 bewegt, kommt man nicht umhin festzustellen, dass im Bekanntenkreis nicht wenige Nachwuchs bekommen haben. Und trudelt mal wieder die frohe Kunde eines neuen Erdenbürgers ein, dann ist die Frage nach dem Vornamen immer eine interessante. Denn was den Eltern als schön und als Ausdruck von Individualität und der Einzigartigkeit ihres Kindes gilt, kann in den Augen Anderer merkwürdig erscheinen und dem Kind, welches immerhin fortan damit leben muss, für Verdruss sorgen.

Gar nicht lange ist es z.B. ist es her, dass im Dresdner Diakonissenkrankenhaus ein kleiner Junge zur Welt kam, dessen Name in der Neugeborenen-Galerie des Krankenhauses als Sturmhorst Siegbald Torsten ausgewiesen war. Und da der Name oft Programm ist, entfesselte der Vorname Sturmhorst einen wahren Sturm der Entrüstung. Auch als sich dann herausstellte, dass dies nur ein Schreibfehler und der korrekte Name Sturmhart heißen müsse, war die Aufregung ungebrochen. Es wurde nicht nur diskutiert, ob Sturmhorst ein real existierender Name, sondern auch, ob dieser tatsächlich eintragungsfähig sei. Denn man darf zu Schutze des Kindes selbigem nicht jeden X-beliebigen Namen geben: Es müssen diverse Kriterien erfüllt sein, darunter auch das dem Namen eine negative Konnotation anhaftet oder den Träger der Lächerlichkeit preisgibt.

Ob Sturmhorst bzw. Sturmhart nun ein realer Vorname ist oder nicht, war Nebensache, denn die Kombination aus Sturm und Sieg, legte den Verdacht nahe, dass die Eltern wohl Anhänger einer ewig gestrigen Ideologie seien. (Was diese natürlich abstritten).

M/W/D ?

Bei der sorgfältigen Auswahl des Vornamens, stellt sich natürlich zunächst die Frage, welchen Geschlechts das Kind ist. Klingt erstmal logisch. Für viele Vornamen gibt es dementsprechend auch eine weibliche oder eine männliche Form, z.B. Petra und Peter. Komplizierter wird es dann mit Namen wie Kim oder Kai. Moment wird sich jetzt mancher denken: Ein Mädchen namens Kai ? Jep, das gibt’s: Kai (oder Kaia) ist die nordische Kurzform von Katharina. Oder nehmen wir Andrea… Im Deutschen eher ein Mädchenname, in Italien aber durchaus auch für Männer beliebt (z.B. Andrea Bocelli) Bis 2008 war dies tatsächlich ein Problem, da sich das Geschlecht des Trägers im Vornamen wiederspiegeln sollte. Ausweg: Vergabe eines zweiten Vornamens mit eindeutiger Zuordnung, z.B. Kai-Uwe. Nun, mittlerweile bedarf es ohnehin einer etwas flexibler Lösung, um auch alle Optionen einer nicht-binären Geschlechtsidentität entsprechend Sorge zu tragen.

Der Hauch des Bösen

Wie bereits im eingangs erwähnten Beispiel darf der Name den Träger nicht dem Spott Anderer aussetzen oder einen Bezug zum Bösen haben: Judas oder Kain, Namen zweier biblischer Bösewichter sind Tabu. Was ist also mit dem Namen Adolf ? Immerhin haben Träger dieses Namens einen doch recht blutrünstigen historischen Namensvetter, einen gewissen Adolf Hitler, der einige Millionen Menschen auf dem Gewissen hat. Aber es gibt auch positive Beispiele wie z.B. Adolf Kolping, Vater der katholischen Arbeiterbewegung. Der Name ist tatsächlich derartig zwiespältig, dass sich das Theaterstück Der Vorname von de la Patellière und Delaporte mit dieser Problematik befasst (2x verfilmt, Film & Theaterstück sehenswert!). Tatsächlich ist der Name abhängig von der Motivation der Eltern ggf. Eintragungsfähig.

© Peyo (Die Schlümpfe)
© Peyo (Die Schlümpfe)

Ein weiteres, allerdings weniger drastisches Beispiel: Ein Kollege, jüdischen Glaubens, dachte bei der Suche nach einem Namen für seinen Sohn über biblische Namen im weiteren Sinne nach. Dabei gefiel ihm Azrael recht gut. Bis man ihn darauf hinwies, dass Gargamels Kater bei den Schlümpfen diesen Namen trägt und auch wenn er diese Comicfigur nicht kennt, die Kinder im Kindergarten jedoch sehr wohl.

Du sollst den Namen Gottes nicht leichtfertig nennen

Und wenn wir schon bei der Bibel sind: Der Name darf keine religiöse Gefühle verletzen. Während Jesus oder Christos im Mittelmeer-Raum bei gläubigen Leuten recht beliebte Namen sind, sind diese in Deutschland nicht zulässig. Anderes Beispiel gefällig ? „Frieden Mit Gott Allein Durch Jesus Christus“ ist in christlichen Kreisen Südafrikas durchaus gebräuchlich in Deutschland ist dies jedoch nicht möglich. Missioniert wird hier nur in der Kirche.

Multifunktionsnamen ?

Ferner: Der Vorname darf kein Familienname sein. Umgekehrt ist dies allerdings kein Problem. Beispiel: Der bayrische Innenminister Joachim Hermann.1 Titel und akademische Grade sind auch keine Vornamen: Prinzessin, Lord, Doktor oder ähnliches muß man sich verdienen oder zumindest ererben.

Die Qual der Wahl

Peter oder Paul ? Wer sich nicht entscheiden kann, der nimmt eben beide, denn mehrere Vornamen sind erlaubt und in manchen Kreisen durchaus üblich, z.B. im Adel (Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Buhl-Freiherr von und zu Guttenberg) oder im US-amerikanischen Raum als middle name. Beliebt ist hier in Verneigung vor den Ahnen, die Namen verblichener Vorfahren zu vergeben.

So trage auch ich einen zweiten Vornamen, zum Einen zu Ehren meines Urgroßvaters väterlicherseits und zum Anderen, weil man Vater sich gewünscht hat, dass ich mal Wissenschaftler werde und da sieht ein zweiter Vorname auf einer Publikation eben gut aus.

Entgegen populärer Annahme ist nicht automatisch der erste Vorname auch der Rufname; überhaupt muss man sich streng genommen auch nicht mehr auf einen Rufnamen festlegen. Der Namensträger kann sich aussuchen welchen seiner Namen er führen möchte.

Aber, bei aller Flexibilität soll man es mit der Namensvergabe auch nicht übertreiben. Während der oben genannte Herr zu Gutenberg als Angehöriger des Adels wohl gewisse Privilegien genießt (immerhin 10 Vornamen), kann das Standesamt auch beschließen, dass z.B. 12(!) Vornamen einfach zuviel sind. So z.B. geschehen im Jahr 2004: So sollte das Kind die Namen Chenekwahow Tecumseh Migiskau Kioma Ernesto Inti Prithibi Pathar Chajara Majim Henriko Alessandro erhalten, wogegen sich das Amt sperrte. Langer Rede kurzer Sinn, das Bundesverfassungsgericht wurde angerufen und gab dem Standesamt Recht, so dass die Namen Chenekwahow Tecumseh Migiskau Ernesto letzen Endes ausreichen mussten.

Kreativität in der Rechtschreibung

Nun gibt es bestimmte Vornamen auch in verschiedenen Schreibarten. Klassisches Beispiel: Thorsten oder Torsten, Günter oder Günther, Karla oder Carla bzw. besonders variantenreich Helmut, Hellmut, Helmuth oder Hellmuth… Vielleicht nicht gerade optimal, da der Namensträger seinen Vornamen mitunter in der falschen Schreibweise lesen wird, aber na gut.

Wörterbuch gefällig ?

Grundsätzlich besteht diese Problematik besonders bei nicht-deutschen Vornamen. Eine Jenny (Kurzform von Jennifer) hat es vielleicht noch einfach, da der Name auch in Deutschland recht verbreitet ist. Eine gesprochene Dschenni wird somit also fast immer auch als Jenny geschrieben. Umgekehrt kann allerdings auch ein Problem sein: Einer meiner Geschichtslehrer auf dem Gymnasium war nicht davon zu überzeugen, dass die Mitschülerin Jenny eine Dschenni und nicht eine deutsch betonte Ienni ist.

Um dieser Problematik aus dem Weg zu gehen verwenden nun manche Eltern Bauernschläue: Frei nach Altbundeskanzler Kohl wird alles so geschrieben wie man es spricht. Ergo: Aus einem Jonathan wird ein Jonesen, eine Michelle wird zu Mischell und bei der Schreibweise Theiler kann man nur mutmaßen, dass es sich um eine Transkription des englischen Tyler handelt.

Klingt komisch und ist auch komisch. Ein Fall aber möchte ich aber als legitim betrachten, da es mich als gebürtigem Rheinländer irgendwie anspricht: Irgendwo in Deutschland läuft ein Junge mit dem Namen Üffes durch die Gegend ! Klingt wie ein Ur-Kölscher/Ur-Rheinländischer Name, ist aber nur eine extrem seltsame Verschriftlichung des französischen Namens Yves. Logischer wäre mir da noch, ganz nach Hans-Werner Olm, der Name Iff erschienen. Aber egal… Daumen hoch für Üffes.

Schräge Vornamen

Schließlich gibt es noch Namen, da kann man sich nur wundern. Im Internet finden sich ganze Listen von merkwürdigen Namen inklusive einer Referenz zu Gerichtsurteilen, die Aufschluss darüber geben, ob der jeweilige Name tatsächlich eintragungsfähig ist und die als Nachweis dienen mögen, dass ich hier keine Märchen erzähle:

Gestatten ? Mein Name ist Atomfried…

Mein absoluter Favorit ist ein Fall aus dem Jahr 1964. Also in einer Zeit als die Atomkraft noch als Zukunftstechnologie ein gewisses Ansehen genoß. Vermutlich in der Annahme, dass der Segen der Hochtechnologie auch auf den Sohnemann abfärben möge, im Sinne einer friedlichen Nutzung der Atomkraft, wollten Eltern ihren Filius Atomfried nennen, welches jedoch vom Amtsgericht Hamburg verhindert wurde. Angeblich ist der weitaus positivere Name Solarfried wieder eintragungsfähig, was letztendlich die Frage aufwirft, wie wohl der Status von Gasfried, Ölfried oder ähnlichem ist.

Andernorts war sich ein Ehepaar wohl des Schabernacks bewußt, den sie ihrem Nachwuchs angedeihen lassen wollten und realisierten ihren Wunsch durch geschickte Tarnung ihr Kind nach ihrer mutmaßlichen Lieblingsspeise zu benennen: Obwohl Matt-Eagle in den USA wahrscheinlich ein legitimer Name wäre (Matt kurz für Matthew und Eagle wie der amerikanische Wappenvogel), klingt das in Deutschland viel zu sehr nach Mettigel.

Mettigel

Bleiben wir bei der Thematik Vornamen und Essen… Nicht erlaubt (und das zurecht) sind Joghurt, Whiskey und Pfefferminza. Alles klar, sind ja Lebensmittel und keine Namen. Beruft man sich aber auf Pippilotta Viktualia Rollgardina Schokominza Efraimstochter Langstrumpf (oder kurz: Pippi Langstrumpf), ist Schokominza wieder möglich.

Imposante Vornamen, welche die Eigenschaften ihrer Träger beschreiben finden sich auch bei Asterix. Eine der bekannteren Nebenakteure dieses Comics ist der Fischhändler Verleihnix. Wenn auch im Comic eine lustige Bereicherung, ist dies kein legitimer Vorname. Ganz im Gegensatz zu Pumuckl (vermutlich ist der kleine Bub rothaarig)

Der Trend geht zum Zweitnamen

Aber man kann auch eine weniger permanente Lösung wählen: Nicht wenige tragen neben ihrem bürgerlichen Namen mehr oder weniger freiwillig noch einen Spitznamen (Nickname, Sobriquet, Pseudonym o.Ä.). Während der Taufname ja früher auch den Wunsch beinhaltete eine bestimmte positive Eigenschaft auf den Träger zu übertragen, verhält es sich bei dem Spitzname umgekehrt: Hier steht eine Eigenschaft des Trägers Pate für den Spitznamen, etwa das rote Haar bei obergenanntem Pumuckl. Auch beliebt: Verkürzung oder Verballhornung des wirklichen Namens: So wird z.B. aus dem Familiennamen Schmitt etwa Schmitti.

Positiv ist, dass dieser eher witzig gemeinte Name nicht irgendwo festgeschrieben ist, sondern nur mündlich überliefert wird und auch teilweise nur auf einen bestimmten Kreis von Personen limitiert ist. So kann der Fußballkumpel Atze im Berufsleben tatsächlich ein Herr Dr. Schröder sein.

Mitunter ist der Name dem Träger noch nicht einmal bekannt, da er spöttischer Natur ist und nur in Abwesenheit verwendet wird. Etwa bei Schülern über Ihren unbeliebten Lehrer. So etwa im Falle einer Grundschullehrerin meiner Schwester: Frau Krosch, der Suppenfrosch.

Anderes Beispiel ? Eine Kommilitonin an der Uni, die sich gerne Kulis ausgeliehen hat, diese aber nie zurück brachte, hatte von einem Kollegen flux den Spitznamen „Schnorro“ verliehen bekommen.

Ebenfalls verbreitete Praxis und nahezu unvermeidlich war dies in alter Zeit bei Königen und Fürsten, wie man sich recht einfach am Dresdner Fürstenzug vor Augen führen kann: Heinrich der Erlauchte, Friedrich der Gebissene, Dietrich der Bedrängte… Kein Wunder, Familiennamen waren im Mittelalter noch nicht in Mode und so bot es sich eben an, einem Friedrich von Sachsen, der besseren Unterscheidung wegen, entsprechend eines denkwürdigen Umstands in seinem Leben den Beinamen „der Gebissene“ zu verleihen.

Der Übergang zu politischen Führer, Potentaten und Revolutionären jüngerer Geschichte ist fließend: Nehmen wir zum Beispiel einen gewissen Wladimir Iljitsch Uljanow oder einen Jossi Wissarionowitsch Dschughaschvili, die sich einen nom de guerre oder Kampfnamen wählten und damit als Lenin („der von der Lena“) und Stalin („der Stählerne“) in die Geschichtsbücher eingingen. Apropos, kennen sie einen Herbert Ernst Karl Frahm? Dies ist niemand geringeres als der vierte deutsche Bundeskanzler Willy Brandt, der im norwegischen Exil 1933 seinen bürgerlichen Namen ablegte, um fortan unter seinem Kampfnamen im Untergrund gegen die Nazis zu kämpfen.

Theorie und Praxis

Doch wie fühlt man sich tatsächlich mit einem ungewöhnlichen Namen ? Ich bin mit meinem kurzen, prägnanten und gar nicht so seltenen Namen sehr zufrieden. Ich kann also nur mutmaßen, wie man sich mit übermäßig kreativen Eltern fühlt… Um dies zu ergründen empfiehlt sich die Lektüre folgenden Artikels aus Der Welt: „Ich fühle mich sehr wohl als Pepsi-Carola“

Hier wurden Pepsi-Carola Krohn, Winnetou Kampmann und Philipp Pumuckl Heßler nach ihren Erfahrungen gefragt. Durchweg positiv wurden ihre Erlebnisse geschildert. Erstere genoß als lebende Reklame materielle Zuwendungen durch den gleichnamigen Getränkehersteller, Herr Kampmann vererbte den Namen sogar an seinen Sohn weiter und Herr Heßler blickt positiv auf seine Kindheit zurück, als jeder gerne mit dem Pumuckl spielen wollte.

Wie dem auch sei

Wir sehen, ein ungewöhnlicher Name kann sowohl Freud, als auch Leid sein. In jedem Fall bleibt eine solche Person namentlich sicherlich gut im Gedächtnis. Dennoch, nicht alles was möglich und oder erlaubt ist sollte man auch tatsächlich tun. Einen kreativen Spitz- oder Kampfnamen kann man sich jederzeit selbst wählen, ganz flexibel und passend zum Anlass.

  1. Oder mein Kollege D.W., der auch den Künstlername Kaiser Wilhelm III. besitzt. An dieser Stelle einen schönen Gruß !

Happy New Year – oder: Im Namen des Katers

Und wieder ist ein altes Jahr vorüber und ein neues nimmt seinen Lauf. Obwohl sich die Silvester1 Nacht auch nur eine Nacht wie alle anderen ist, wird ihr von Vielen eine besondere Bedeutung zugemessen. Eine Nacht, die durch besondere Unternehmungen und Rituale – um es mit Barney Stinson zu sagen – legendär werden soll.

Die prominenteste Maßnahme ist sicherlich das Abschiessen von Feuerwerksraketen und Böllern, welches aus dem vorchristlichen (Aber-)Glauben herrührt, dass man durch Krachmachen böse Geister und damit Unglück und Unheil vertreiben kann.

Und auch der Verzehr von alkoholischen Getränken gehört dazu… Ob als Trankopfer, auf das die Glücksgöttin Fortuna gewogen sei, oder weil es sich beschwipst einfach lustiger feiert sei mal in den Raum gestellt.

Irgendwann jedoch ist die magische Silvesternacht vorbei und das neue Jahr ist da. Vom Feuerwerk bleibt nur noch der „Fallout“ und vom Schwips… Sie ahnen es schon… ein brummender Schädel, der Kater, der Katzenjammer.

„Heute ist der süße Rausch verflogen; der Katzenjammer ist geblieben. Der Katzenjammer!“

— Friedrich Schlögel (Dichter), Aschermittwoch

Kater und Katzenjammer… Scheint so als sei da jemand sehr katzenafin gewesen, als er sich diese Synonyme für den Brummschädel ausdachte. Tatsächlich Stammen diese Wörter jedoch aus der Studentensprache: So ist Kater eine Anspielung auf den gleichermaßen unangenehmen Katarrh… Und Katzenjammer – nun… – ist eine entschärfte Version von Kotzen-Jammer (Eigentlich logisch, wenn ich kotzen muß, ist mir auch immer jämmerlich zu Mute.)

Interessant ist auch die Sicht anderer Kulturen auf den Kater:

Der Spanier sagt resaca - Meeresbrandung oder entgegengesetzt zum Deutschen el ratón - die Maus. Beim Norweger sind es die Zimmermänner (tømmermenn), die im Kuppelkopf (kuppelhue) zugange sind, während sich der Franzose mit einer „Holzfresse“ (gueule de bois) rumplagt.

Doch woher kommt der Katzenjammer ?

Alkohol rein, Wasser raus !

Jeder, der schon mal im Rahmen eines Pub crawl ein gewisses Quantum Bier zu sich genommen hat weiß, dass man eher früher als später „das Bier wegbringen“ muß (sprich: Pipi machen). Dies liegt daran, dass Alkohol die Funktion des Enzyms Vasopressin beeinträchtigt, dass die Rückgewinnung von Wasser aus dem Primärharn fördert. Alkohol wirkt also harntreibend und damit auch entwässernd. Hierbei werden auch wertvolle Elektrolyte ausgeschieden… Beides Faktoren, die den Katzenjammer fördern und auch Erklärungen für den sog. Nachdurst am nächsten morgen oder warum Rollmöpse gerne als Katerfrühstück genommen werden. Daher zwischendurch immer mal ein Wasser einschieben um gut hydriert zu bleiben oder zwischen durch ein paar Salzstangen knabbern um Elektrolyte zuzuführen.

Smells like hangover: Acetaldehyd

Achtung, jetzt wird es chemisch ! Grundlagen der Organischen Chemie – Thema: Oxidation von primären Alkoholen !

Dieses Wissen brauchen wir, wenn wir uns mit dem Abbau von Alkohol befassen wollen. Auftritt: Alkoholdehydrogenase, das Enzym das in der Leber das Ethanol zu Acetaldehyd „abbaut“. (+ ein paar andere Enzyme). Da Aldehyde ziemlich reaktive Moleküle sind, können sie allerhand Unfug in unserem Körper anstellen. Acetaldehyd ist damit einer der Hauptschuldigen für unseren Brummschädel. Gottseidank gibt es aber das Enzym Acetaldehyd-Dehydrogenase, das den Aldehyd weiter zu Acetat, dem Salz der Essigsäure oxidiert, welches dann vom Körper unter Energiegewinnung verbrannt wird. Vorsicht übrigens mit Cocktails und anderem zuckerhaltigem Hochprozentigem (Bowlen, Liköre, lieblicher Wein…) ! Zucker hemmt den Abbau von Acetaldehyd und deswegen haben wir dann am nächsten Morgen einen umso dickeren Kopf.

Fuselöle

Schlagen wir im Wörterbuch nach, so finden wir unter Fusel dort folgende Definition:

Fusel, der
Substantiv
billiger, minderwertiger Schnaps

Hiervon haben auch die Fuselöle ihren Namen, denn sie kommen in minderwertigem Sprit besonders reichhaltig vor. Neben höheren Alkoholen, finden sich noch Fettsäureester, Terpene, Acetate, Carbonsäuren und allerhand andere Stoffe, die als Nebenprodukte der alkoholischen Gärung entstehen. In geringen Maßen dem Geschmack förderlich, verursachen sie im höheren Mengen (>0.1 %) für Kopfschmerzen. Durch sorgfältige Destillation lassen sich diese jedoch zum größtenteils entfernen, weswegen Spirituosen wie Wodka sich weniger Kopfschmerzen verursachen. Weizenbier hingegen ist eine schlechte Wahl, da besonders reich an Fuselölen, wie man in einer Diplomarbeit der FH Münster/Steinfurt (Autor: Siegrun Mohring,) nachlesen kann. Wer mehr Infos möchte folge dem Link (man beachte auch Seite 2 und 3).

How to kill the cat…

Nun denn… Der Schädel brummt, das Gefühl ist flau… Was also tun um die Lebensgeister zu reaktivieren ?

  1. Konterbier

Ein alter Ratschlag empfiehlt: Damit weitermachen, womit man am Vorabend aufgehört hat. Das Konterbier (auch schön: Reparaturseidel, wie die Österreicher sagen) betäubt zwar vielleicht den Schmerz, aber wenn der Alkohol abgeklungen ist, schlägt die Katze umso härter zu. Der Amerikaner spricht in dem Zusammenhang auch vom Hair-of-the-dog (kurz für „hair of the dog that bit you“) in Anspielung auf den Brauch das man früher daran glaubte ein paar Haare des Hundes in eine Hundebisswunde legen müsse, um üble Konsequenzen der Verletzung abzuwehren. Wir sehen: Hund, Katze, Maus… alle Tiere tragen ihren Teil zum Alkohol-induzierten Elend bei.

2. Anti-Katerpräparate

Wenn es um Wunderkuren geht, dann ist schnell die Patentmedizin bei der Hand (Pülverchen und Wässerchen vom Wunderheiler auf dem Jahrmarkt). Ähnlich muten da Anti-Katerpillen an, die man unter Markennamen wie Koa-Koa, RU-21 und KGB-Pille (hat Sowjetische Agenten trinkfest gemacht) im Internet findet. Interessant hierbei ist, dass es sich nicht um eine Detox-Maßnahme (Kater-Kur) handelt, sondern diesen effektiv verhindern oder zumindest abschwächen soll. Ingredienzien wären so Sachen wie Curcuma-Extrakt, Lakritz-Extrakt, Bernstein-Säure, Fumar-Säure, Glutaminsäure, L-Cystein und diverse Vitamine. Alles Wirkstoffe, die den Alkoholabbau unterstützen sollen. Ob der ganze Fokus-Pokus etwas nützt weiß ich nicht, aber die Käufer auf Amazon scheinen zumindest zufrieden zu sein. Könnte aber auch einfach am Placebo Effekt liegen.

3. Katerfrühstück

Alte Hasen schwören auf ein deftiges Katerfrühstück, welches gerne fett- und eiweissreiche Speisen, nebst diversem salzig-sauer Eingelegtem beinhalten kann (Bismarkhering, Essiggurke, Sauerkraut, Rollmops etc.). Während der salzige Hering vielleicht notwendige Elektrolyte zuführt, so sorgen diese Speisen in jedem Fall auch für Durst und animieren so zur Aufnahme von Wasser, was ja bekanntermaßen die Dehydrierung bekämpft.

Im slawischen Raum schwört man auch auf Essiggurken, die man, was angeblich noch besser funktionieren soll, direkt mit dem Gurkenwasser runterspülen soll.

4. Der Anti-Katertrunk

Schon oft hat man es in Filmen gesehen: Der Protagonist hat zu tief ins Glas geblickt und soll nun, um einer misslichen Lage zu entkommen, möglichst schnell wieder fit gemacht werden. Hierzu mixt Protagonist 2 eine scheußlich anzusehende Mixtur (Geheimrezept !) zusammen und flößt diese dem Helden ein. Dieser reißt keuchend die Augen auf und ist instantan wieder putzmunter. In der Barmixer-Sprache nennt man einen solchen Trank „Pick-me-up“ oder „Corpse Reviver“. Besonders populär sind die Bloody Mary und die Prairie Oyster.

Bloody Mary
4 cl Wodka
1 cl Zitronensaft
8 cl Tomatensaft
1 TL Worcestersauce
2 Spritzer Tabasco
eine Prise (Sellerie)Salz
eine Prise Pfeffer
Stangensellerie nach Belieben

Ein klassischer Cocktail. Da aber Alkohol in Form von Wodka enthalten ist, sind wir damit wieder im Bereich des Konterbiers, das es zu vermeiden gilt. Daher besser als Virgin Bloody Mary, also ohne den Schnaps genießen. Der Tomatensaft und das Salz sind aber sicherlich hilfreich.

Prairie Oyster
1 rohes Eigelb
1 TL Ketchup
1 TL Sangrita Picante 
2 Spritzer Essig
1 Spritzer Tabsco-Sauce
1 TL Zitronensaft
1 TL Worcester Sauce
Salz, Cayenne Pfeffer
- Das Glas mit dem Essig ausschwenken
- Eigelb vorsichtig in das Glas geben, dann die restlichen Zutaten hinzufügen
- Die ganze Mixtur, nach Möglichkeit ohne das Eigelb zu zerstören, rasch trinken
-- Quelle: Mixology.eu

Hmmm… Das klingt selbst im Nüchternen Zustand sehr gewöhnungsbedürftig. Das unzerkaute Eigelb soll dabei tatsächlich durch seine Textur eine rohe Auster simulieren, die einem die Kehle runter gleitet. Da allerhand scharfe Sauce zu gegen ist, sollte dieser Drink zumindest im Magen für, sagen wir mal, wohlige Wärme sorgen. Dieser Drink ist tatsächlich bekannt aus Film und Fernsehen: Zu sehen in z.B. Zurück in die Zukunft III.

Wem das zu eklig ist, der kann auch zu einem Kaffee als etwas wohlschmeckenderes Restaurativem greifen. Der hilft zwar vermutlich nur bei leichten Kopfschmerzen, aber ist besser als gar nix. Im übrigen heißt es auch, dass ein Espresso + den Saft einer halben Zitrone ein guter Ersatz für eine Kopfschmerztablette sein soll.

Wem das Alles noch nicht genügt, möge mal in folgender Publikation der American Folklore Society von 1961 nachschlagen, die eine ganze Mannigfaltigkeit von Katerkuren beschreibt, dem Volke direkt vom Maul abgeschaut.

Letztendlich aber, ist wohl die weiseste Entscheidung den Alkohol nur in Maßen zu genießen. Manchmal ist eben Vorsicht besser als Nachsicht.

—Bildquelle: Pixabay.de
  1. Nota bene: Laut amtlicher Rechtschreibung wird der Abend vor Jahreswechsel mit einem i – Silvester – geschrieben, während der Name auch mit y geschrieben werden kann !

Man spricht deutsch

Dass die Welt immer mehr zum Dorf wird, ist ja nichts Neues: Flugreisen & globaler Kommunikation via Internet sei Dank. Fremdsprachenkenntnis ist folglicherweise ein Muß geworden. Doch wie mir ein Facebook-Posting einer Freundin wieder in Erinnerung gerufen hat, kann auch manchmal die eigene Muttersprache zur Fremdsprache werden. Von bestimmten Spezialvokabeln, die sich zwischen Deutschland und Österreich unterscheiden, hat sicher jeder schon mal gehört: Schlagsahne vs Schlagobers zum Beispiel. Ein und das selbe Produkt hier, wie bei unseren Nachbarn im Süden. Gut, es gibt für Vieles Synonyme. Aber der Schlagobers1 ist mir in Deutschland bis jetzt noch nicht begegnet. Sozusagen regionalspezifische Synonyme.

flagge

Doch für solche Alternativ-Begriffe muss man ja noch nicht mal ins (deutschsprachige) Ausland. Unterschiedliche Bundesländer reichen aus. Ein gutes Beispiel ist jenes kleinformatige Gebäckstück, das viele frischgebacken zum Frühstück sehr zu schätzen wissen: das Brötchen oder Kleingebäck. Geht man jedoch z.B. nach Bayern (aber auch angeblich bestimmte Teile Sachsens) sind wir bei ‚Semmel‘. In Baden-Württemberg und Rheinhessen ißt man Wecken, in Hamburg greift man zum Rundstück, der Berliner lässt sich seine Schrippe schmecken und auf Hiddensee wird’s dann mit Bömmeln ganz exotisch. Für eine sehr ergiebige Abhandlung des Ganzen (unter besonderer Berücksichtigung Österreichs) empfehle ich die Lektüre des zugehörigen Wikipedia Artikels.
Ähnlich verhält es sich mit dem Fleisch-verarbeitenden Gewerbe: Metzger (Süd(west)deutschland, NRW, Westöstereich, Schweiz), Fleischer (Ostdeutschland), Schlachter (Norddeutschland), Fleischhauer (Ostöstereich).
Ganz besonders kompliziert wird es aber dann, wenn an beiden Orten die selben Begriffe existieren, aber unterschiedliche Dinge gemeint sein können. Als Beispiel soll uns wieder ein Gebäckstück dienen:

Schmalzgebackene Köstlichkeit... Der Berliner Pfannkuchen

Schmalzgebackene Köstlichkeit… Der Berliner Pfannkuchen

Wikipedia bevorzugt hier den Begriff Berliner Pfannkuchen. Abgekürzt auf Berliner ist dieser Begriff relativ verbreitet und sorgt erstmal noch nicht für Verwirrung. In Berlin und auch hier in Sachsen verzichtet man dann eher auf das Wort „Berliner“ und begnügt sich einfach mit Pfannkuchen. In meiner Heimat, dem Rheinland, jedoch bekommt man, wenn man Pfannkuchen verlangt, dies hier:

Eierkuchen (Photo by David Monniaux; Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported)

Eierkuchen (Photo by David Monniaux; Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported)

Jenen Teigfladen, der auch mitunter als Crépe2 Eierkuchen oder hier in Sachsen auch gerne mal als Plinse bezeichnet wird. In Österreich wiederum heißt der Berliner „Krapfen“. Im Rheinland wiederum sehen Krapfen so aus:

Krapfen, Kräppelchen & Co (Photo by Dr. Bernd Groß; Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International)

Krapfen, Kräppelchen & Co (Photo by Dr. Bernd Groß; Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International)

Die Sachsen sagen hierzu hingegen Kräppelchen, was in Rheinhessen als der Diminuitiv von Kräppel wäre, was die dortige Bezeichnung für Berliner ist. Womit wir den Kreis geschloßen hätten.
Insofern kann ich nur meiner Bekannten Lissy zustimmen, dass es spannend ist wie vielfältig und wandelbar Sprache sein kann: Ein Hoch auf die Vielfalt !

 

  1. Ach ja: Wenn man die Schlagsahne unter das Eis macht, wird aus Schlagobers dann ein Schlagunters ? 😉 ↩︎
  2. In Österreich auch Palatschinken (Plural von die Palatschinke).↩︎