Breaking Bad – Oder: Amphetamin

Jeder Chemiker kennt es… Man kommt auf eine Party und begegnen dort Nicht-Chemikern. Man stellt sich vor, beginnt mit freundlichem Smalltalk und kommt im Zuge dessen auf das Thema Beruf zu sprechen. Auf die Antwort man sei Chemiker folgt, ganz in Übereinstimmung mit den gängigen Klischees, erstaunlich oft eine von zwei Fragen:

  1. Ist bei Dir schon mal etwas explodiert ?
  2. Kannst Du / Hast Du schonmal irgendwelche lustigen Drogen in deinem Labor hergestellt ?

Befassen wir uns einmal mit Frage 2: Ja, können kann der Chemiker Vieles. Auch Drogen herstellen. Aber nur weil er alles herstellen kann, heißt das noch lange nicht, dass er das auch wirklich tun sollte. Selbst in Vorstellungsgesprächen ist man vor solchen Fragen nicht gefeit:

„Würden sie sagen, dass die Synthese von Drogen eine lohnenswerte Tätigkeit ist ?“

Nein, würde ich nicht. Mal ganz abgesehen davon, dass so etwas verboten ist: Organische Synthese ist ein aufwendiges, oft mühevolles und ohne das richtige Equipment und Infrastruktur auch gefährliche Tätigkeit.

Und doch: Immer wieder hört man in den Nachrichten von illegalen Drogen-„Laboren“ und beschlagnahmten synthetischen Drogen, allen voran Methamphetamin – alias: Meth oder Crystal. Das goldene I-Tüpfelchen setzt dem ganzen noch die sehr populäre Serie Breaking Bad auf: Ein an Krebs erkrankter Chemielehrer steigt in die illegale Produktion von Crystal Meth ein, um mit den Erlösen den Unterhalt seiner Familie nach seinem Ableben zu finanzieren.

Methamphetamin – Was ist das ?

Wie findet man synthetische Substanzen, die in unserem Organismus biologisch wirksam sind ? Natürlich kann man den Brute-Force-Ansatz wählen und mit riesigem Aufwand eine große Substanzbibliothek testen, bis man einen Treffer landet. Die Pharmaindustrie nennt sowas High Troughput Screening.

Einfacher hat man es aber, wenn man bereits einen wirksamen Naturstoff zur Vorlage hat, von dem man sich strukturell inspirieren lassen kann. In unserem Fall wäre dies die Substanzklasse der sogenannten Phenethylamine, mit bekannten Vertretern wie dem Dopamin (ein erregend wirkender Neurotransmitter) oder dem Adrenalin (das bekannte Stresshormon, welches in Ausnahme Situationen die Herzfrequenz steigert und die versteckten Energiereserven freisetzt).

Wir sehen, das grundlegende Strukturmotiv ist immer gleich: eine Stickstoff-Gruppe (Amin) verbunden über eine C2H4-Kette (Ethyl) mit einem Phenyl-Ring = Phenethylamin.

Dementsprechend ist es ein gängiger Ansatz ausgehend von einer solchen Leitstruktur durch strukturelle Modifikationen, die Eigenschaften eines Wirkstoffs für die geplante Anwendung zu modifizieren.

Pollença - Ma-10 - Mirador de Mal Pas - Ephedra fragilis 02 iesDas Meerträubel (Ephedra fragilis)

Ausgangspunkt der Aktivitäten, die letztendlich zur Entdeckung des Methamphetamins und dem engverwandten Amphetamin führten, war die Suche nach dem Wirkstoff in der Pflanze Meerträubel (lat. Ephedra). Es war bekannt, dass diese Pflanze als Arznei bei der Behandlung von chronischer Bronchitis und auch leichten Formen des Asthmas nützlich ist. Dies nahm 1885 der Japaner Nagayoshi Nagai, der damals als wissenschaftlicher Assistent in den Labors der Humboldt Universität tätig war, zum Anlass den Wirkstoff im Meerträubel, das Ephedrin, zu isolieren. Größerer Erfolg war ihm jedoch damit nicht beschieden, da sich sein extrahierter Naturstoff in der praktischen Anwendung gegen das bereits bestens etablierte Adrenalin nicht durchsetzen konnte. Dies mag Nagai dazu bewogen haben das Ephedrin chemisch zu modifizieren, um seine Wirkung zu steigern. Dies gelang ihm schließlich in Form des Methamphetamins. Da sich aber auch dafür (vorerst) keine praktische Anwendung finden lassen konnte, geriet es erst einmal in Vergessenheit.

Nagai Nagayoshi

Erst als 1919 Akira Ogata, ebenfalls ein Japaner und Schüler Nagais, sich erneut mit dem Ephedrin beschäftigte und im Rahmen dessen auch erstmals eine kristalline, sehr reine Form des Methamphetamins herstellte, wurde man sich der ausgeprägten stimulierenden Wirkung gewahr. 1921 führte daher das japanische Pharmaunternehmen Dainippon Sumitomo Seiyaku das Medikament Philopon / Hiropon (jpn. hirō Müdigkeit + pon mit einem Schlag = ‚Müdigkeit verschwindet mit einem Schlag‘) auf den Markt.

Und hier offenbart sich uns, welch kuriose Wendungen die Geschichte mitunter nehmen kann. Was heute zu Recht eine verrufene, gefährliche Droge ist, war dereinst mal ein gerühmtes Medikament. Ein Schicksal, was im übrigen gar nicht so selten vorkam. Auch Heroin war einmal ein Medikament.

Auch in Europa wurde man auf das neuartige Stimulans aufmerksam und begann es zunächst zur psychiatrischen Behandlung zu vermarkten.

Pervitindose

Größere Bekanntheit erlangte Methamphetamin doch erst, als sich die deutschen Temmler-Werke damit befassten und Methamphetamin ab 1938 unter dem Namen Pervitin auf den deutschen Markt brachten. Pervitin erfreute sich offenbar relativ schnell einer gewissen Popularität als rezeptfreier Muntermacher. Zur Wirksamkeit lässt sich zum Beispiel bei Wikipedia lesen:

N-Methylamphetamin unterdrückt Müdigkeit, Hungergefühl und Schmerz. Es verleiht kurzzeitig Selbstvertrauen, ein Gefühl der Stärke und dem Leben eine ungewohnte Geschwindigkeit.

Man kann sich demnach vorstellen, dass gerade Personen, die Stress ausgesetzt sind und sich zu Höchstleistung motivieren müssen, empfänglich für eine solche Pille sind. Offenbar zählte man auch Hausfrauen zu dieser Zielgruppe, da es zumindest zeitweise unter dem Namen Hausfrauenschokolade mit Pervitin versetzte Pralinen kaufen konnte. Ergo: Pervitin belegte eine ähnliche Marktnische wie heutzutage die Energy Drinks.

Bundesarchiv Bild 101I-662-6659-37, Flugzeug Messerschmitt Me 109Die Zielgruppe der sog. Fliegerschokolade: die deutsche Luftwaffe

Aber der sicherlich größte Abnehmer war in dieser Zeit ein anderer. Denn 1938 begann bekanntlich der 2. Weltkrieg. Unterdrückte Müdigkeit, Selbstvertrauen und ein Gefühl von Stärke… Kein Wunder, dass die Wehrmacht auf Pervitin aufmerksam wurde und ihren Soldaten die Droge ins Marschgepäck packte, damit Piloten die ganze Nacht durchfliegen konnten und Panzerfahrer sich idealerweise in furchtlose Kampfmaschinen verwandelten. Typische Spitznamen unter den Soldaten waren demnach Herman-Göring-Pille (der selbst wohl einen großen Verbrauch an dieser Droge hatte) oder Panzerschokolade.

Doch der allzu sorglose Umgang mit Methamphetamin hat seine Schattenseiten. Das erste Problem ist relativ logisch und erfordert kein großes Fachwissen: Da die Droge im Konsumenten keine neue Energie erzeugt, sondern die Effekte der Erschöpfung unterdrückt, kehrt diese verstärkt in Form eines Hangovers nach Abklingen der Wirkung wieder auf. Das so etwas auf Dauer nicht gut gehen kann liegt auf der Hand. Erschwerend kommt aber noch hinzu, dass Methamphetamin stark suchterzeugend ist und regelmäßiger Konsum zu einem Gewöhnungseffekt führt, der ein stetes anheben der Dosierung nötig macht, um die angestrebte Wirkung zu erzielen.

Der Katalog der potentiellen Nebenwirkungen, insbesonders bei höheren Dosierungen hat es auch in sich: Persönlichkeitsveränderungen, Paranoia und Psychosen (inkl. Delirium, Halluzinationen und gewalttätigem Verhalten), Gehirnläsionen (inkl. strukturellen Veränderungen und Reduktion der Gehirnmasse und Blutungen). Der Katalog ist relativ umfangreich und lässt sich kurz zu „allgemeiner psychischer und physischer Verfall“ zusammenfassen.

Erratisches und aggressives Verhalten, wie es mit starkem Konsum einher geht, konnte man in jener Zeit auch Hitler und Hermann Göring attestieren, denen man besonders gegen Ende des 2. Weltkriegs einen starken Konsum dieser Droge zuschreibt. Sicherlich ist dies nicht die alleinige Ursache für deren Gräueltaten, aber der Methamphetaminmißbrauch hat garantiert dazu beigetragen.

Letztendlich konnte man die Nebenwirkungen und das Mißbrauchspotential nicht wegdiskutieren und man stellte Pervitin unter Rezeptpflicht. Dennoch blieb es auch nach dem Krieg weiter im Einsatz. Bis in die 1970er Jahre wurde es von Bundeswehr und NVA „für den Ernstfall“ bevorratet. Bei der NVA blieb es bis 1988 Bestandteil des Verbandssatzes im Sanitätswesen.

Auch andere Personen der Zeitgeschichte kamen mit Pervitin in Berührung. Konrad Adenauer, erster Bundeskanzler und Gründervater der Bundesrepublik Deutschland, soll gelegentlich zu einer Tablette Pervitin zur Leistungssteigerung gegriffen haben, wie jüngst aus den Tagebüchern seines Sohnes bekannt wurde.

Und wenn man an Leistungssteigerung denkt, dann ist der Gedankensprung zu Doping und Sport nicht weit. Es ist also kaum verwunderlich, dass auch mancher Sportler auf die Idee kam seiner Fitness mit Pervitin etwas auf die Sprünge zu helfen. Es ist dennoch erschütternd, wenn ein sportliches Idol vieler plötzlich dabei erwischt wird vor dem Wettkampf ins Medizinschränkchen gegriffen zu haben. Sicherlich ein besonders krasses Beispiel für ein solches Phänomen sind die viel gerühmten Helden des Wunders von Bern. So sollen 1954 einige der Nationalspieler an Gelbsucht erkrankt sein, nachdem der Mannschaftsarzt Franz Loogen ihnen „Vitamin C“ Injektionen aus einer verunreinigten Spritze verabreicht haben soll. Wenige Monate zuvor hatte man an der Universität Freiburg in einer lange unter Verschluss gehaltenen Studie unter dem Titel „Die Wirkung von Dopingmitteln auf den Kreislauf und die körperliche Leistung“ herausgefunden, dass Pervitin Injektionen die Leistungsfähigkeit eines austrainierten Sportlers um bis zu 25% steigern kann. Dies ist natürlich kein Beweis für Doping bei der Fußballnationalmannschaft, warf aber doch gewisse Fragen auf.

Ein besonders tragisches Beispiel ist der Profi Boxer Josef „Jupp“ Elze, der bei seinem Kampf gegen den Italiener Carlo Duran 1968 nach 150 (!) Kopftreffern zu Boden ging und schließlich an Gehirnblutungen erlag. Während vermutlich jeder andere bereits deutlich vorher kampfunfähig gewesen wäre, sorgte der Umstand, dass Elze mit Pervitin gedopt war, dass er bis zum bitteren Ende seine Verletzungen nicht bemerkte und damit als erster Dopingtoter der deutschen Sportgeschichte in die Historie einging.

Mittlerweile hat die Anwendung von Amphetamin als Arzneimittel in Deutschland ein Ende, da es im Betäubungsmittelgesetz als nicht verschreibungsfähig gelistet ist. Zu groß ist die Gefahr des Missbrauchs der stark suchterzeugenden Substanz.

Der illegale Einsatz als Droge ist jedoch ungebrochen. Gerade in unserer heutigen schnelllebigen Zeit, mit stetig steigenden Anforderungen an den Einzelnen, scheint ein Mittel mit dem man sich zu vermeintlicher Höchstleistung dopen kann einen besonderen Reiz zu besitzen.

Der Name Pervitin ist verschwunden, an seine stelle getreten sind die mittlerweile besser bekannten Namen Meth, Crystal Meth, Crystal, Yaba, Crank oder Ice. Bezeichnungen, die daher rühren, dass Amphetamin in seiner besonders reinen Form in klaren, farblosen, eben eisartig aussehenden, Kristallen vorliegt.

Crystal Meth

Während es zwar auch Konsumenten gibt, die Crystal oral einnehmen oder spritzen (ähnlich dem Pervitin), wird die Droge heutzutage (und so auch in Breaking Bad zu sehen) eher geschnupft oder mit einer speziellen Pfeife (Ice pipe) geraucht. Diese Konsumformen besitzen die Eigenschaft, dass die Wirkung sehr schnell und intensiv eintritt (Kick). Nicht nur dies allein, sondern auch der Umstand, dass der nachfolgende Hangover relativ ausgeprägt auftritt, tragen dazu bei, dass schnell eine psychische Abhängigkeit eintritt. Ebenso trägt eine schnelle Tolleranzbildung, d.h. eine Gewöhnung des Organismus an die Droge, und die damit einhergehende Dosissteigerung, um die gewohnten Effekte zu erzielen, zu einem Eskalieren des Konsums. Chronische Folgen eines starken Konsums sind u.A. Abmagerung, Zersetzung der Schleimhäute in Mund und Nase, Ausfall der Zähne (Meth mouth) und allgemeiner psychischer Verfall. Tatsächlich ist laut einer Studie aus dem Jahr 2010 Meth eine der Drogen mit dem höchsten Eigenschädigungspotential.

Der schädigende Effekt ist aber nicht allein auf die Droge zurück zuführen, sondern auch auf die Art und Weise, wie sie in den Verkehr kommt: illegale Drogenküchen.

Breaking Bad

Im Unterschied zu Drogen wie Cannabis, Salvia divinorum oder Magic Mushrooms, die direkt aus Pflanzenteilen (oder Pilzen) gewonnen werden, ist Crystal eine synthetische Droge. Sprich: Der Wirkstoff wird nicht in der freien Natur gefunden, sondern wird in einem Labor, einem pharmazeutischen Wirkstoff nicht unähnlich, hergestellt. Man kann sich natürlich vorstellen, dass bei Pharmazeutika höchste Reinheitsanforderungen gelten, um unerwünschte Nebeneffekte durch Verunreinigungen zu vermeiden. Hierfür braucht es nicht nur Erfahrung, sondern auch oft geeignete, saubere Ausgangsmaterialien und das notwendige technische Equipment. Sprich: Es ist aufwendig und teuer.

Dem illegalen Drogenkoch steht ein solches Equipment und die notwendigen Materialien nicht zwangsläufig zur Verfügung. Dies liegt unter Anderem schon mal daran, dass ein Teil der Ausgangsmaterialien (eben WEIL es Ausgangsmaterialien für die Drogenherstellung sind) unter Überwachung stehen und nicht einfach von jedermann erworben werden können. Selbst industrielle Verwendender mit einem legitimen Ansinnen müssen eine entsprechende Endverbleibserklärung abgeben, bevor sie diese Materialien kaufen können. Der Drogenkoch muss also improvisieren. Und dieses Improvisieren der Zutaten kriegen wir in Breaking Bad auch verschiedentlich zu sehen. Etwa die Beschaffung von Pseudoephedrin in Form von Erkältungsmedizin. Doch dies ist einfacher gesagt als getan, da man nicht mal eben die Apotheke leerkaufen kann, ohne Verdacht zu erregen. Daher muss dies immer in kleinen Mengen aus verschiedenen Quellen erfolgen. Und selbst dann muss der benötigte Ausgangsstoff erstmal aus dem Medikament abgetrennt werden.

Kann man die Zutaten nicht durch ein solches geschicktes Taktieren beschaffen, muss man das Rezept anpassen. Auch etwas, was einen Laien vor ein Problem stellt. Hierfür bedarf es schon ein ordentliches Maß an chemischer Expertise. In den dunklen Ecken des Internets findet man zwar reichlich Vorschläge, aber ob diese immer etwas taugen ist fraglich. Selbst wenn man ein Work-around für sein Problem findet, bedarf chemische Synthese schon ein gewisses Maß an Erfahrung, um auf unliebsame Überraschungen angemessen zu reagieren, wenn mal etwas nicht so läuft wie geplant.

Professionelles Laborequipment lässt sich zwar leichter beschaffen, ist aber unter Umständen teuer. Man kann sich zwar heute – Ebay sei Dank – ein mit dem grundlegenden Equipment ausstatten. Es gibt aber auch Länder, in denen solche Einkäufe bereits das Interesse der Polizei erregen kann. In manchen Staaten der USA z.B. ist es undenkbar, dass eine Privatperson ein legitimes Interesse haben könnte sich Glasgeräte für ein chemisches Labor zu erwerben. Ergo: Auch hier wird mit den verschiedensten Kunstgriffen improvisiert. Je weiter man sich von der idealen Laborvorschrift entfernt, desto schwieriger wird es ein Produkt in Pharmaqualität zu erhalten. Mangelnde Erfahrung mit Laborarbeit oder billigende Inkaufnahme mangelnder Qualität tun ihr Übriges. Überhaupt: Ohne Instrumente zur instrumentellen Analytik (z.B. den aus Film & Fernsehen bekannten Gaschromatographen) ist es ohnehin nicht ganz so einfach die Reinheit seines Produktes zu überprüfen. Neben dem gewünschten Wirkstoff kann noch allerhand sehr unschöne Verunreinigungen enthalten sein. Ein Beispiel, was die Konsequenzen solcher Verunreinigungen sein können, sieht man anhand der in der jüngeren Vergangenheit in den Medien sehr präsenten Droge Krokodil, die ebenfalls aus improvisierten Drogenküchen stammt: Gewebsnekrosen an der Injektionsstelle, Nierenschäden und Schlimmeres. Sicherlich keine gute Strategie, um sich nachhaltig einen Kundenstamm aufzubauen.

Da die entsprechenden Prozesse aber auch die Handhabung von Gefahrstoffen beinhalten, ist nicht nur der Konsument, sondern auch der Drogenkoch einer Gefahr ausgesetzt. Feuergefahr und unbeabsichtigte Aufnahme toxischer Substanzen über Haut und Atemluft sind ohne umsichtiges Handeln und entsprechende Sicherheitsvorkehrung durchaus reale Gefahren. Letztendlich wird oft auch die Umwelt beeinträchtigt, da chemische Synthese gefährliche Abfälle erzeugt, die aus Gründen der Tarnung nicht fachmännisch entsorgt werden, sondern oft in der Natur verklappt werden.

Diese Gefahren sind auch oft der Auslöser, der zur Entdeckung illegaler Drogenküchen führen, z.B. wenn Feuerwehr und Rettungskräfte zu Feuern oder Gefahrstoffereignissen gerufen werden, die aus solch illegalen Aktivitäten herrühren.

Ergo: Es ist zwar plausibel, dass ein Laie mit einem entsprechenden chemischen Kochrezept und einer improvisierten Ausrüstung Crystal Meth herstellt. Auch mag es unter den Chemikern entsprechende schwarze Schafe geben (a la Walter White), die ihr Können dazu einsetzen, um illegal Geld zu verdienen. Aber wer schon keine Skrupel hat sein Geld im Drogengeschäft zu verdienen, bei dem ist es auch fraglich in wie weit die Produktqualität über Profit Maximierung siegt.

Sturm im Glas

Neulich erreichte mich eine Anfrage meiner Schwester:


Kurzum: Funktioniert Wettervorhersage mit einem Sturmglas oder ist das nur Mumpitz ?

Sturmglas – Was ist das und wer hat’s erfunden ?

Bei einem Sturmglas handelt es sich um ein hermetisch abgeschlossenes Glasgefäß (meist ein Rohr), dass mit einer Mischung aus destilliertem Wasser, Alkohol, Campher, Kaliumnitrat und Ammoniumchlorid gefüllt ist. Sinn des ganzen soll sein anhand des Auftretens von Kristallen und deren Aussehen das Wetter der nächsten 24 – 36 Stunden vorherzusagen.

Sturmglas nach FitzRoy (Foto: Wikipedia, ReneBNRW, Creative Commons License CC0 1.0)

Die Erfindung des Sturmglases wird unteranderem einem Herrn Barth aus Nürnberg zugeschrieben, doch erst der britische Admiral Robert FitzRoy im 19. Jahrhundert war es wohl, der dem Sturmglas zu größerer Bekanntheit verhalf. Besagter Admiral hatte damals die Aufgabe ein meteorologisches Meßnetz für die Royal Navy aufzubauen und in dem dafür zu verwendenden Meßinstrumentarium sollte auch ein solches Sturmglas eingesetzt werden.

Wie das kristalline „Schneetreiben“ im Glas zu interpretieren sei, beschrieb FitzRoy in seinem Buch über Wetterbeobachtung, nachdem er mit niemand geringeren als Charles Darwin auf dessen zweiten Forschungsreise mit der HMS Beagle, empirische Studien über das Verhalten des Sturmglases angestellt hatte:

  • Wenn die Flüssigkeit im Glas klar ist, wird das Wetter sonnig und klar.
  • Ist die Flüssigkeit flockig, wird es bewölkt. Niederschlag ist möglich.
  • Wenn kleine Flöckchen in der Flüssigkeit schweben, kann man feuchtes, nebeliges Wetter erwarten.
  • Ein trübes Glas mit kleinen Sternen deutet auf Gewitter.
  • Sind an einem schönen Wintertag kleine Sternchen in der Flüssigkeit, wird es schneien.
  • Sind große Flocken überall in der Flüssigkeit, wird es je nach Jahreszeit bedeckt oder im Winter fällt Schnee.
  • Wenn viele Kristalle auf dem Boden sind, gibt es Frost.
  • Wenn sich an der Oberfläche Kristalle bilden, wird es stürmisch.

Grau ist alle Theorie…

Trotz dieser Studien blieb das Sturmglas eine Kuriosität, als ein anerkanntes wissenschaftliches Messinstrument, denn eine plausible Erklärung, wie das ganze funktionieren solle, war nicht vorhanden. Ein Einfluss des Luftdrucks (der bei heranziehendem Unwetter ja fällt) konnte man ausschließen, da die meisten Sturmgläser gasdicht abgeschmolzen sind und der Luftdruck damit wenig bis gar keinen Einfluss auf die Lösung ausüben kann.

Eine weitere Theorie, die jedoch erst in modernerer Zeit aufkam, war der Einfluß des impulshaften Auftretens von elektromagnetischen Wellen natürlichen Ursprungs in der Erdatmosphäre, sogenannten Sferics. Solche Impulse können z.B. durch das Auftreten von Blitzen entstehen. Der Einfluß dieser Impulse auf die belebte und unbelebte Umwelt ist jedoch Gegenstand von Diskussionen und wird weitestgehend esoterischen Kreisen zugeschrieben.

Dem Rätsel auf der Spur

Und auch in jüngerer Vergangenheit beschäftigt dieses kuriose (und zudem sehr dekorative) Messinstrument die Wissenschaftler. Sehr informativ ist z.B. eine Arbeit eines Allan Mills vom Institut für Geologie der Universität in Leicester, dass 2008 in Weather, dem Journal der Royal Meteorological Society, erschienen ist (Weather 2008, 63, 161 – 163.), in welchem einfache Sturmgläser verschiedentlich Umwelteinflüssen ausgesetzt werden, so z.B. auch verschiedene elektromagnetische Felder, die keinen sichtbaren Einfluß auf die Gestalt der auftretenden Kristalle hatten, was im Allgemeinen den Erkenntnissen der Kristallisation entspricht.

Ebenfalls sehr aufschlussreich sind die Untersuchungen von Kaempfe et al. vom Institut für Anorganische Chemie der Universität Duisburg-Essen, die das verhalten eines Sturmglases über 1 Jahr mit dem lokalen Wetter verglichen und zu dem Ergebnis kamen, dass ein solches Glas zur Vorhersage von schlechtem Wetter nur sehr begrenzt bis gar nicht geeignet ist. In Übereinstimmung mit den Ergebnissen der Uni Leicester, wird das Kristallisationsverhalten auf die Umgebungstemperatur und die Geschwindigkeit, mit der sich diese ändert zurück geführt.

Hierbei kommt erschwerend hinzu, dass das Sturmglas in unserer modernen Welt mit wärmeisolierten Energiesparbauwerken und Zentralheizung in seiner Leistungsfähigkeit noch deutlich schlechter abschneidet als zu Zeiten von Admiral FitzRoy, als die Raumtemperatur noch deutlich von der Außentemperatur zusammenhing.

Interessant ist auch folgender Umstand:

Der Vergleich zweier baugleicher Sturmgläser zeigte, dass sich in jedem Kristallsystem ein individuelles Gleichgewicht aus- bildete. Beide Instrumente lieferten also unterschiedliche Vorhersagen für das Wetter, was die Komplexität des Systems und die daraus resultierende mangelnde Reproduzierbarkeit unterstreicht.

— Chemie in unserer Zeit 2012, 46, 26-31.

Mangelnde Reproduzierbarkeit ist für ein Meßverfahren ein sicheres Todesurteil.

Eine tierische Alternative

Nicht minder kurios war der zum Sturmglas in direkter Konkurrenz stehende Gerät, der sogenannte Sturmvorhersager (Tempest prognosticator) oder alternativ auch Egelbarometer genannt. Hierbei machte man sich die Wetterfühligkeit von Blutegeln (ähnlich dem Wetterfrosch) zu nutze: In zwölf Glasbehältern saßen jeweils 1 Egel, der bei heranziehendem Sturm aus dem Wasser und in eine schmale Metallröhre hinein kriechen sollte. Dort löste er einen Mausefallen-artigen Mechanismus aus, der eine Glocke zum Läuten brachte. Je mehr Egel in einer Zeitspanne die Glocke auslösten, desto höher die Wahrscheinlichkeit eines heranziehenden Gewitters. Auch wenn sich dieser Apparat letztendlich nicht durchsetze, so soll seine Erfolgsquote wohl ganz beachtlich gewesen sein.

Nachbau des originalen Storm prognosticator (By Badobadop [CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)], from Wikimedia Commons)
Nachbau des originalen Storm prognosticator (By Badobadop [CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)], from Wikimedia Commons)

Das abschließende Urteil muß daher also lauten: Das Sturmglas ist ein recht dekorativer, aber dennoch gänzlich nutzloser Apparat zur Wettervorhersage. Das Egelbarometer funktioniert zwar besser, kann aber letztendlich aufgrund ästhetischer Defizite auch nicht empfohlen werden.

Die Macht der Kristalle

Wer den Blog hier schon länger verfolgt, weiß, dass ich Naturwissenschaftler bin und als solcher esoterischen Dingen gegenüber ja schon von Berufs wegen skeptisch eingestellt bin. Doch heute möchte ich mich mal mit einem solchen Thema näher beschäftigen, nämlich der esoterischen Macht von Kristallen & Steinen.

Bergkristall - Hübsch anzusehen & angeblich wirksam gegen schädliche Strahlen, Kopfschmerzen & Krampfadern

Bergkristall – Hübsch anzusehen & angeblich wirksam gegen schädliche Strahlen, Kopfschmerzen & Krampfadern

Daran mag man jetzt glauben oder nicht, eins ist jedoch gewiss: Einen enorm dekorativen Charakter haben sie ja. Es gibt sie in verschiedensten komplexen Formen und allen erdenklichen Farben und glitzern tun sie meistens auch. Ergo: Wenn er schon kein Zauberstein ist, so taugt er doch als Schmuckstein.

Dann ist da noch die Sache mit den Glücksbringern. Da mögen Viele noch so rational und nüchtern eingestellt sein, bei wichtigen Geschäftsterminen kleiden sie sich in ihr Glückshemd, klauben Glückspfennige von der Strasse oder klopfen beim Ausfüllen des Lottoscheins dreimal auf Holz (wenn grad Keiner guckt). Nicht unbedingt weil sie dran glauben, vielleicht weil sie gerne daran glauben würden. Und schaden kann es ja nicht, nur sicherheitshalber. Über all diese Dinge wundert sich Keiner, also wollen wir den „Zaubersteinen“ auch eine Daseinsberechtigung einräumen.

Ungeschliffener Rubin - Mit Chrom dotiertes Aluminiumoxid, auch wirksam in Sachen Liebe, Sexualtät, Erkenntnis etc.

Ungeschliffener Rubin – Mit Chrom dotiertes Aluminiumoxid, auch wirksam in Sachen Liebe, Sexualtät, Erkenntnis etc.

Doch wie komme ich auf das Thema ? Wenn man durch das Zentrum einer Tourismus-Hochburg wie Dresden läuft, muss man nicht weit gehen, bis man einen Verkaufsstand findet, der neben Souvenirs auch Kristalle & Steine als Glücksbringer anbietet. Als ich nun in der Woche vor Weihnachten über den hiesigen Weihnachtsmarkt lief, fand ich dort einen Marktstand mit einer Art Glücksstein-Roulette. Für 2 € Einsatz durfte man mal am Rad drehen, welches dann auslost, welche Art Stein man sich aus dem Angebot aussuchen darf. Nun, lange Rede, kurzer Sinn: Einen Dreh später, war ich glücklicher Besitzer eines Amethyst. Vom Standpunkt des Mineralogen und Chemikers handelt es sich um eine violette Varietät des Minerals Quarz (Siliziumdioxid). Der Unterschied zum farblosen Bergkristall, der auch ein Quarz ist, liegt nun daran, dass der Amethyst zusätzlich Eisen enthält. In der etwas ungewöhnlichen Oxidationsstufe +IV. Eisen(III) ist nun nichts Ungewöhnliches und, wie jeder vom Rost (Eisenoxid, Fe2O3) her weiß, braun gefärbt. Führt man eisenhaltigem Quarz, der zuerst auch braun ist, radioaktive Strahlung zu, wie sie in Gestein auch natürlich vorkommt, so wird aus den Eisenionen ein Elektron herausgeschlagen und unser Quarz wird zum violetten Amethyst !

Mein Amethyst/Citrin

Mein Amethyst/Citrin

Diese violette Färbung ist jedoch nicht so permanent wie man denkt. Vorsicht z.B. ist geboten mit UV Strahlung: Wird der Amethyst solcher ausgesetzt, z.B. in Form von intensivem Sonnenlicht, kann er seine Farbe verlieren. Ebenso ungünstig ist starkes Erhitzen, wodurch sich der lila Amethyst in einen gelb-braunen Citrin verwandelt. Was sich der Edeltsteinhandel zu Nutze macht, da Citrine um einiges seltener sind als Amethyste.

Der Amethyst - bei Saufgelagen ein nützlicher Begleiter

Der Amethyst – bei Saufgelagen ein nützlicher Begleiter

Doch was kann ein solcher Zauberstein nun angeblich alles ? Hier hilft schon eine genaue Analyse des Namens: Amethystos (griech. ἀμέθυστος) bedeutet „dem Rausche entgegenwirkend“. Nun, nichts geht über ein entsprechendes Experiment. Drei große Bier später, merkt der Experimentator, dass der Amethyst, zumindest in der Hosentasche getragen, nicht verhindert hat, dass der Alkohol seine Wirkung tut. Nun ja, vielleicht funktioniert das ja nur mit Rotwein. Oder nur, wenn der Amethyst Kontakt zum Getränk hat. Aus hygienischen Gründen habe ich aber darauf verzichtet den Stein ins Bier zu tauchen. Vermutlich haben die alten Römer daher ihre Trinkgefäße aus Amethyst gefertigt.

Malachit - Basisches Kupfercarbonat, von dem man behauptet es hilft bei Frust, Unausgeglichenheit, Unentschlossenheit & Ablehnung des eigenen Körpers

Malachit – Basisches Kupfercarbonat, von dem man behauptet es hilft bei Frust, Unausgeglichenheit, Unentschlossenheit & Ablehnung des eigenen Körpers

Was nun etwaige heilende Eigenschaften angeht, sei erst einmal folgendes angemerkt: Von Gesetz wegen sollte man Begriffe wie „Heilstein“ vermeiden, da man sonst ratzfatz wegen „unlauterem Wettbewerb“ belangt werden kann. Von etwaigen Regressforderungen wegen Quacksalberei mal abgesehen, da ein entsprechender wissenschaftlicher Nachweis einer Wirkung bislang noch aussteht.

Die Naturheilerin Hildegard von Bingen (1098-1179) gilt hier vermutlich nicht als legitime Quelle, auch wenn sie in ihrem „Buch von den Steinen“ eine Wirkung gegen „Hautunreinheiten und Schwellungen, aber auch gegen Insekten-, Spinnen- und Schlangenbisse sowie gegen Läuse“ beschreibt.

Pyrit - Hilft bei Identitätskrisen, regt die Selbsterkenntnis an und eignet sich zur Herstellung von Stinkbomben

Pyrit – Hilft bei Identitätskrisen, regt die Selbsterkenntnis an und eignet sich zur Herstellung von Stinkbomben

Etwas modernere Edelstein-Heiler sprechen davon, dass der Amethyst das sog. Stirnchakra (Chakra – Energiezentrum zwischen physischem und feinstofflichem Körper / Astralleib) beeinflußt und damit „reinigende, inspirierende und Erkenntnis bringende Eigenschaften“ hat. Wir sehen also: Für mich als Blogger zumindest der Theorie nach der richtige Stein. 

Schließlich findet man noch Hinweise auf die energetische Reinigung und Aufladung anderer Heilsteine. Was dies in letzter Konsequenz bedeutet weiß ich auch nicht, aber nun gut.

Witziger weise kommen sich damit Esoterik und Wissenschaft aber wieder ungeahnt nahe. So beschäftigen sich Ingenieure heutzutage mit spannenden Themen wie „Energy Harvesting“ (Energie-Ernte), also Gewinnung von geringen Mengen an elektrischer Energie aus Bewegung, Umgebungstemperatur etc.

Möglich ist dies z.B. mit piezoelektrischen Kristallen, die mechanischen Druck in elektrische Energie umwandeln. Jeder hat so etwas schon mal in der Hand gehabt, nämlich ein Form eines Feuerzeugs mit Druckzünder.

Sogenannte Pyroelektrische Kristalle erzeugen elektrische Spannung, wenn sie eine Temperaturänderung erfahren. Dies ist zum Beispiel in Temperatursensoren nützlich.

Wir sehen, es gibt eine gewisse Ähnlichkeit, wenn auch die Esoteriker vermutlich keine elektrische Energie mit ihren Kristallen ernten.

Fassen wir zusammen: Kristalle gehören sicher zu den dekorativeren Glücksbringern und sollte jemand aus ihnen Motivation und frische Energie schöpfen (und sein es auch nur durch den Placebo Effekt), so sei ihm dies gegönnt. Mit ernsthaften Erkrankungen sollte man sich jedoch lieber doch zu einem Arzt begeben.

Ein größerer Amethyst aus der Edelsteinsamllung von E. N.

Ein größerer Amethyst aus der Edelsteinsammlung von E. N.