Wenn man eine Reise tut… – Sevilla

Eines der ersten Dinge die einem auffallen, wenn man mit dem Flieger im September Sevilla ansteuert, ist die Tatsache, das Landschaft und Vegetation einen leicht angetoasteten Eindruck macht. Naja, kein Wunder, immerhin ist Sevilla die Stadt mit der zweithöchsten jemals in Europa gemessenen Außentemperatur. Ist man jedoch erst mal in der Stadt, ist es schon erheblich grüner, versteckt operierenden Bewässerungssystemen sei Dank. Es werden ohnehin so einige Register gezogen, um der Sommerhitze ein Schnippchen zu schlagen: Auch der Mensch wird in das Bewässerungskonzept einbezogen. Sitzt man im Schatten einer Markise oder eines Sonnenschirms im Außenbereich eines Cafés, Bar oder Restaurants und hat das plötzliche Gefühl eine Nebelbank nebst Sprühregen zieht auf, liegt das nicht an einem Wetterumschwung, sondern an einer unter dem Sonnenschutz installierten Wasser-Sprühanlage, die für angenehme Kühle sorgt. Selbst über beliebten Einkaufsstrassen (wie z.B. der Calle Sierpés) hat man an Sonnenschutz gedacht und gleich die ganze Gasse mit Sonnensegeln zwischen den Häusern ausgestattet.

Prominentestes Beispiel der Hitzevermeidung ist sicherlich die viel zitierte spanische Siesta… Auch wenn dieses Wort eher ein Mittagsschläfchen bezeichnet, so ist es doch für viele Nicht-Spanier gleichbedeutend mit der verlängerten Mittagspause, die gerne während der heißesten Stunden des Tages (14-17 Uhr) gehalten wird. Da das Stadtzentrum von Sevilla aber von Touristen wohlfrequentiert ist, wird dort überwiegend durchgearbeitet. Kleinere Geschäfte und Lokale vielleicht ausgenommen.

Dementsprechend verlagert sich der gewohnte Tagesablauf zeitlich nach hinten: Während hier in nördlicheren Gefilden mancherorts nach 19-20 Uhr die Bürgersteige hochgeklappt werden, herrscht auf Sevillas Straßen um 22-23 Uhr nach wie vor ein munteres Treiben. Angesichts der Tatsache, dass selbst Mitte September die Sonne erst gegen 20:30 untergeht (vgl. Dresden mit 19:16 !) und auch die Temperaturen noch angenehm warm (oder andersherum angenehm kühler) sind, ist dies wohl verständlich.

¡Buen provecho!

Dies hat dann natürlich auch Konsequenzen in Sachen Essenszeit… In manchen Restaurants gibt’s erst ab 20 Uhr was zu essen. Ein kulinarisches Konzept der spanischen Küche, was mir ganz besonders zusagt sind Tapas.

Croquetas und gebackener Ziegenkäse

Croquetas und gebackener Ziegenkäse

Ursprünglich hervorgegangen aus einem kleinen Häppchen, das zu Wein, Bier oder Sherry offeriert wurde, hat sich das mittlerweile weiter entwickelt. Ursprünglich ein paar simple Oliven, ein Scheibchen Käse oder Chorizo zum Bier, gibt es heute auch aufwendigere Kreationen: Albondigas en salsa (Fleischbällchen in Sauce), Croquetas (verschiedenartig gefüllte Kroketten) oder ganz raffinierte Sachen wie Millefeuille aus Aubergine und Ziegenkäse (ungewöhnlich aber sehr lecker).

Das Schöne ist, dass man sich nicht auf ein Gericht festlegen muss, sondern einen gesunden Querschnitt durch die Speisekarte bilden kann, sollte man sich nicht entscheiden können. Sollte eine Spezialität besonders überzeugen, gibt es dann oft auch die Option eine Ración zu bestellen, also eine Portion die schon eher ein Sättigungsgefühl herbeiführen kann.

Salmorejo

Salmorejo

Ebenfalls probieren: Gazpacho, eine kalte Suppe aus Tomaten, Gurken und Knoblauch. Oder noch besser: Salmorejo, die etwas verstärkte, cremigere Variante mit Iberico-Schinken und Ei.

Ciudad de Opera

Sehenswürdigkeiten… Nun, hier kann ich nur kurz von ein paar ausgewählten sprechen, da ich Sevilla ja eigentlich für eine Tagung besucht habe und das Sightseeing somit nur Nebenher laufen musste. Aber allein schon mal ein Rundgang durch die historische Innenstadt ist äußerst lohnenswert, z.B. im Barrio Santa Cruz auf den Spuren des Barbiers von Sevilla zu wandeln. Überhaupt ist Sevilla Schauplatz einiger Opern:

  • Der Barbier von Sevilla
  • Figaro’s Hochzeit
  • Carmen
  • Fidelio
  • Don Juan

Sights to see…

Das Wahrzeichen von Sevilla, dass einem sicherlich als erstes ins Auge springt, ist die Kathedrale mit ihrem Turm der La Giralda (jetzt Kirchturm, vormals Minarett).

La Giralda & die Kathedrale

Dieser Turm besitzt nicht nur eine ungemein prachtvolle Fassade, sondern beinhaltet anstatt einer Treppe, eine Rampe, die es auch ermöglichen würde, den Turm zu Pferde zu besteigen. Der Kathedralenbau selbst, ist nicht nur die größte gotische Kirche Spaniens & eine der größten Kirchen der Welt, sondern beherbergt auch einen goldenen reich mit Ornamenten verzierten Altarraum, bei dem die Frauenkirche in Dresden im Vergleich schon fast spartanisch nüchtern wirkt. Ebenso findet sich hier das Grab von Christoph Kolumbus… oder sagen wir Teilen von ihm… im Laufe der Geschichte sind seine Gebeine mehrfach umgebettet worden und sich dabei wohl in alle Winde zerstreut…

Das Grab des Kolumbus

Aber wenn wir schon beim Thema Kolumbus sind… Wer ein Fan der Seefahrt ist, sollte auf einen Sprung am Torre del Oro (dem goldenen Turm) vorbeischauen. Für 3 € kann man sich ein kleines Museum zum Thema Seefahrt und Sevillas Rolle im spanischen Kolonialwesen angucken und zum Schluss einen guten Ausblick auf die sevillaner Altstadt und den Guadalquivir genießen.

Ein Highlight ist auch der Real Alcazar, einem spanischen Königspalast aus dem Mittelalter im Stile der Mudejaren. Dem islamischen Einfluss auf die dortige Architektur sei dank, kommt man sich fast vor wie in einem Märchen aus 1001 Nacht. Trotz der reich mit Ornamenten verzierten Wände, wirkt der Palast allerdings mit seinen wenigen Fenstern etwas düster… Vielleicht kein schlechtes Konzept… Hält die Hitze draussen… Wer es dann doch etwas heller mag, der kann im ebenso prachtvollen Garten lustwandeln.

Architektur mit orientalischem Einschlag – Made in Spain

Für heiße Tage: Eine künstliche Grotte

Garten Genuß

Fazit: Sevilla ist in jedem Fall eine Reise wert.

Bunte Wissenschaft

Was der Wissenschaft gefällt, wird darum der Kunst nicht taugen. Beide schauen die selbe Welt, doch mit ganz verschiedenen Augen.

Emanuel Geibel, dt. Schriftsteller (1815 – 1884)

So schreibt schon der Dichter. Und irgendwie hat er damit schon recht. Zumindest wenn man sich mal vor Augen führt, was die Fachliteratur so grafisch hergibt. Nun ist es so, dass in neuerer Zeit jeder Beitrag in einem Fachjournal, neben einer Kurzzusammenfassung, dem sog. Abstract, auch von einem Graphical Abstract begleitet wird. Dabei handelt es sich um eine mehr oder minder aussagekräftige Abbildung, welche die Quintessenz der Publikation dem Leser visualisieren soll. Dabei ist es für den Autor durchaus lohnenswert in diese Abbildung etwas Arbeit zu investieren, denn erlaubt sie doch dem potentiellen Leser beim Überfliegen des Inhaltsverzeichnisses zu entscheiden, ob das jeweilige Paper für ihn von Interesse ist oder nicht.

Während die meisten Abstracts recht schlicht gestaltet sind und der reinen Information dienen, findet man insbesondere in jüngerer Zeit grafische Beiträge die optisch aus der Menge hervorstechen. So z.B. wirkt mancher Graphical Abstract auffallend bunt aus. Als Vorreiter dieses Phänomens ist Niemand anderes als ein gewisser K. C. Nicolaou, einem Urgestein der Naturstoffsynthese und Großmeister der Molekülkolorationen.

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Schon mal bei einem langen Telefonat die Innenräume der Buchstaben in der Zeitung ausgemalt ? Ähnlich sieht eine Abbildung “Nicolaou-Style” aus, bei der alle Ringe mit freundlichen Farben ausgemalt werden (siehe z.B. hier). Aber KCN ist da bei weitem nicht der Einzige. Aber es gibt auch liebevoll gestaltete, regelrechte Kunstwerke zu finden, wie etwa folgender Cartoon einer Arbeitsgruppe aus Kiel:

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Quelle: Journal of Physical Chemistry A, 2012 ASAP

Ist auf alle Fälle ein Eyecatcher. Viele andere Abstracts jedoch legen den Schluss nahe, dass die Autoren unter Geschmacksverkalkung oder zumindest Farbenblindheit leiden. Ein Phänomen das man auch auf Tagungen bei Posterpräsentationen beobachten kann.

Ebenfalls im Journal of Physical Chemistry A erschienen ist folgender Abstract. Als ich diesen Beitrag gesehen habe, musste ich erst einmal ungläubig blinzeln. Denn dieser handgearbeitete Beitrag kann an Minimalismus kaum unterboten werden:

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Doch auch diese Abbildung ist im Vergleich zu folgendem Beitrag noch relativ aufwändig Gestaltet:

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Quelle: Applied Surface Science 2012, 258, 3191.

Liebe Leute am MPI für Eisenforschung: Wenn ihr schon per Hand zeichnet, benutzt bitte ein Lineal.

Ein anderes Genre sind schließlich Beiträge. die unfreiwillig komisch sind. Folgendes Beispiel aus der Supramolekularen Chemie ist in der Hinsicht ein Klassiker und soll hier exemplarisch für eine Reihe von Graphical Abstracts mit Phallus-ähnlichen Strukturen stehen:

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Quelle: Inorg. Chem., 2004, 43 (11), pp 3521–3527.

Nicht gerade jugendfrei. Also schneller Themenwechsel und her mit etwas Kontrastprogramm: Chemie mit Tieren. Was passiert wenn man einen Pinguin mit einem Krokodil zur Reaktion bringt ? Genau, es bildet sich ein Guest-Host-Komplex:

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Quelle: Angew. Chem. Int. Ed. 2007, 46, 2366.

Diese und viele andere Beispiele für Kuriositäten aus den Inhaltsverzeichnissen kann man bei TOC ROFL finden, das ich dem chemisch interessierten Leser empfehlen möchte. Wer hingegen noch Anregungen für eigene Druckerzeugnisse braucht, kann bei DrFreddy’s Synthetic Remarks nachlesen wie es gemacht wird.

Schließen möchte ich heute diesen Artikel mit folgender Abbildung und einem schönen Gruß an meine Leserschaft an der Uni Hamburg (und Adamantanchemiker) verbunden mit der Frage:

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Quelle: Angew. Chem. Int. Ed. 2011, 50, 3362.

ORIGINAL ERSCHIENEN AM 21. JUNI 2012 (BLOG.LOEMITONNE.DE)

Drück die Taste und ich haste

September 2016… In Berlin hat mal wieder die IFA ihre Tore geöffnet und zahlreiche neue Gadgets und Gizmos werden der breiteren Öffentlichkeit vorgestellt. Eben diesen Zeitpunkt hat auch die Firma Amazon genutzt, um ein neues Feature ihres Online Versandhandels jetzt auch ihren deutschen Kunden zur Verfügung zu stellen. Tatarataaa… Wir präsentieren… den Dash Button.

Dash Button (Bild:Amazon.com)

Dash Button (Bild:Amazon.com)

Ein kleiner WLAN-fähiger Druckknopf, den man z.B. an seine Waschmaschine kleben kann, um frisches Waschmittel zu ordern, wenn der Vorrat zu neige geht. Für verschiedene Marken gibt es diesen Button, den man nur entsprechend konfigurieren muss, um sein übliches Quantum eines Produktes einer bestimmten Marke zu ordern.

Ein Gizmo, welches dem viel beschäftigten Menschen von heute, den Alltag noch etwas komfortabler gestalten soll. Nun mag man von einem solchen Übermass an Komfort halten was man will (Die Faulheit lässt grüßen !), der tatsächliche Vorteil eines solchen Buttons erschließt sich mir nicht ganz. Denn solang der Knopf nicht auch meine restlichen Einkäufe besorgt, muss ich dann doch selbst einkaufen fahren. Und dann kann ich auch gleich mein Waschmittel besorgen. Der Vorteil verpufft auch, wenn die Ware am nächsten Tag geliefert wird, man aber gerade mal kurz außer Haus ist, wenn der Lieferant kommt. Natürlich kann man das Paket auch irgendwo an einer sicheren Stelle ablegen lassen. Das hilft aber auch nix, wenn man mit Zeitungs-klauenden Zeitgenossen in einem Haus wohnt… Von Zeitung zum Klosettpapier ist es oft nur ein kleiner Schritt. Nee, dann schon lieber postlagernd. Aber dann ist der Liefervorteil auch dahin.

Aber apropos Klopapier… Bei manchen Waren erscheint das ganze eh etwas obskur: Wenn ich auf dem stillen Örtchen hocke ists auch zu spät, wenn ich dann die Taste drücke, wenn nichts mehr da ist. Weiteres nicht ganz ernst gemeintes Beispiel gefällig ? Gerne: Schon mal darüber nachgedacht, was es für einen Eindruck auf Übernachtungsgäste es macht, wenn ein Durex Kondombestellknopf am Nachtisch klebt ? 😉

Zumindest versehentliche Mehrfachbestellungen sollten nicht vorkommen… Nach erfolgter Bestätigung per Handy, hat man dann 30 Minuten Zeit zu stornieren und die nächste Bestellung kann erst ausgelöst werden, nachdem die erste erfolgreich ausgeführt wurde.

Einen Schritt weiter geht dann der eng verwandte Amazon Replenishment Service. Hier können Hersteller netzwerkfähiger Geräte, wie z.B. von Druckern, eine Funktion implementieren, bei der ein Gerät selbsttätig Nachschub ordern kann, ein Drucker z.B. neue Tonerkartuschen. Gerade bei den heutigen Tintenstrahldruckern ist das natürlich so eine Sache… Billig wie die Geräte heute in der Anschaffung sind, finanzieren sie sich heute mit kostspieligen original Farbpatronen. Zumindest hört man das immer wieder. Vor diesem Hintergrund hinterlässt ein solcher Cloud Service ein etwas beunruhigendes Gefühl.

Teaching an old dog new tricks…

In unserer heutigen Technik-Affigen Zeit, dauert es natürlich nicht lange, bis der erste findige Tüftler ein Gadget wie den Dash Button hackt und für seine Bedürfnisse zweckentfremdet. Und für diese Hardware Hacker ist der Dash Button ein gefundenes Fressen: Für wenig Geld (4,95 €) gibt es einen WLAN fähigen Knopf, der nach etwas geschickter Bastelei zu vielem fähig ist:

Relativ naheliegend sind noch solche Hacks, bei denen etwas bestellt wird, z.B. lassen sich auch andere Waren von Amazon in den Button einprogrammieren… Oder man verlinkt den Button mit seiner Lieblingspizza vom Online-Pizza-Lieferservice

Ebenfalls beliebt ist es auch Zeitaufwand oder andere zählbare Dinge zu tracken: Mittels eines Python-Skripts lässt sich z.B. der tägliche Zeitaufwand erfassen, den man zum Üben eines Musikinstruments aufwendet (Bericht bei Google Dokuments inclusive). Oder: Mit entsprechend mehreren Buttons zählen, wer aus dem Haushalt wie oft runter gegangen ist, um den Müll weg zu bringen.

Im Zeitalter des Internet of Things (IoT) gibt es auch netzwerkfähige Steckdosen und Glühbirnen. Durch geschicktes kombinieren solcher Geräte lässt sich auch ein Button basteln, der das Wohnzimmer in den Kino-Modus versetzt: Licht dimmen und Netflix aktivieren.

Man sieht, den Möglichkeiten sind (fast) keine Grenzen gesetzt. Ein wenig technisches Geschick vorausgesetzt.