Koffein – Oder: Hallo Wach

Kaffee schmeckt nicht nur lecker, sondern dient in vielen Büros und Labors als Katalysator um noch mal verborgene Kraftreserven zu mobilisieren und müde Gesellen wieder munter zu machen. Zu verdanken haben wir diesen Effekt dem Alkaloid Koffein.

Gestatten, Koffein !

Gestatten, Koffein !

Seinen Anfang nimmt die Geschichte des Koffeins mit dem deutschen Chemiker Friedlieb Ferdinand Runge (1794 – 1867), der sich, neben vielen anderen Entdeckungen, auch auf dem Gebiet der Naturstoff-Forschung hervorgetan hat. Eine entscheidende Rolle bei der Entdeckung spielt darüber hinaus noch eine andere historische Persönlichkeit, die man normalerweise eigentlich nicht mit Chemie & Pharmazie in Verbindung bringt, nämlich Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe. Diesem wurde nämlich von Runge die Wirkung des Atropins (welche dieser gerade untersuchte) am Auge einer Katze demonstriert. Goethe, ob der drastischen Wirkung des Atropins beeindruckt, empfahl Runge daraufhin sich auch einmal die Inhaltsstoffe der Kaffeebohne anzusehen, vermutete er doch darin ein Antidot gegen das Atropin.1 Runge gelang es 1820 dann das Koffein erstmals aus Kaffeebohnen zu extrahieren, ein Vorgang, der heute noch die Hauptquelle zur Koffein-Gewinnung ist, nämlich im Rahmen der Entkoffeinierung von Kaffee.

Friedlieb Ferdinand Runge

Friedlieb Ferdinand Runge (1794 – 1867)

Den Teufel mit dem Beelzebub austreiben – Die Entkoffeinierung

Diese wurde 1903 von einem Bremer Kaffeehändler mit Namen Ludwig Roselius zu einem industriell verwertbaren Prozess weiterentwickelt, nachdem dieser zu der Ansicht gelangt war, dass der übermäßige Kaffee und Koffein-Genuß für das frühzeitig Ableben seines Vaters verantwortlich war. Die noch grünen Bohnen wurden hierzu zum Quellen in Salzwasser eingelegt und anschließend mit Benzol(!) extrahiert. Das Endprodukt des sogenannten Roselius-Prozess kam schließlich als Kaffee HAG in den Handel. Kaffee HAG gibt es auch heute noch, allerdings verzichtet man heute auf das krebserzeugende Benzol und verwendet stattdessen Dichlormethan oder Ethylacetat, was zumindest im Falle des Dichlormethans nur geringfügig besser ist. Lösungsmittel kann man zwar abdestillieren, aber ein gewisses ungutes Gefühl hinterlässt der Gedanke dann doch.

Vorteilhaft ist es daher sicher, die Extraktion mit überkritischem CO2 durchzuführen. Kohlendioxid geht bei einem Druck von 73 – 300 bar in einen fluiden (d.h. quasi flüssigen2) Zustand über und ist billig, ungiftig, ein sehr effizientes Extraktionsmittel und sehr einfach zu entfernen: Nimmt man den Druck weg, verflüchtigt sich das CO2, welches unter Normalbedingungen bekanntlich ein Gas ist.

Ein Haken hat man jedoch immer: Egal, welches Verfahren man auch verwendet, man extrahiert neben dem Koffein immer auch andere wertvolle Bestandteile des Kaffees, was mit einer geschmacklichen Veränderung einher geht, weswegen entkoffeinierter Kaffee meist etwas merkwürdig schmeckt.

Wachmacher

Doch mancher trinkt den Kaffee (oder Tee oder Club Mate etc.) ja gerade WEGEN dem Koffein. Was bewirkt dieses Alkaloid also in unserem Körper ?

Die Bandbreite der beobachten Effekte ist relativ groß. Man kann es jedoch den Stimulation zuordnen, also Substanzen mit anregender bzw. erregender Wirkung. Dies entspricht auch dem gewünschten Effekt, wenn man zu einer belebenden Tasse Kaffee greift. Der Katalog umfasst:

  • Anregung des Zentralnervensystems
  • Steigerung der Herzfrequenz
  • schwach Harntreibende Wirkung
    (Merke: Kaffee ist nur geliehen. Kaum ist er drin, will er schon wieder raus)
  • Gefäßverengend im Gehirn, Gefäßerweiternd in der Peripherie
  • Anregung der Peristaltik des Darms
  • vieles Andere mehr

Bereits geringe Konzentrationen an Koffein stimulieren Aufmerksamkeit und Konzentrationsvermögen, erleichtern das Speichern von Informationen (Lernen !), beseitigen Ermüdungserscheinungen und reduzieren (bis zu einem gewissen Grad) das Schlafbedürfnis.

Eine gewisse euphorisierende Wirkung wird dem Koffein auch nachgesagt. Vermutlich ist es deswegen auch der Renner in Form von Energy Drinks auf Parties. Es verkürzt zwar, die Reaktionszeit, hat aber einen nachteiligen Effekt auf Geschicklichkeit, besonders dann wenn exaktes Timing und präzise Hand-Auge-Koordination gefordert ist. Ob das vielleicht von zittrigen Händen kommt ? Wir wissen es nicht.

Interessant ist auch was Forscher an der Universität Durham (UK) rausgefunden haben:

Die Wissenschaftler hatten 200 Studenten gefragt, wie viel Koffein sie täglich zu sich nähmen und ob sie gelegentlich Halluzinationen hätten, also ob sie etwa Stimmen hörten oder Dinge sähen, die gar nicht da seien. Bei der Auswertung der Befragung zeigte sich, dass die Teilnehmer, die besonders viel Koffein zu sich nahmen – täglich mehr als die Menge, die in sieben Tassen Instant-Kaffee steckt -, dreimal häufiger eingebildete Stimmen hörten als Teilnehmer, die kaum Koffein zu sich nahmen.
— Quelle: Handelsblatt.com

Ergo: Wenn Ihnen eine unsichtbare Stimme befiehlt mehr Kaffee zu kochen, ist es vielleicht an der Zeit die Koffeinzufuhr zu stoppen.

Wie funktioniert’s ?

Arbeitet unser Gehirn im Wachzustand entsteht als Nebeneffekt der Stoff Adenosin. Dieser bindet an bestimmte Bindungsstellen der Nervenzellen und regelt deren Leistung herunter. Dies dient als Schutzmechanismus gegen Überanstrengung. Je aktiver die Nervenzelle, desto mehr Adenosin schneller reichert sich Adenosin an und wir ermüden. Koffein ähnelt in seiner Struktur dem Adenosin und besetzt dessen Bindungsstellen ohne aber die selbe Wirkung auszulösen.

(1) Durch geistige Anstrengung entsteht Adenosin (grün), welches an den zugehörigen Rezeptor (blau) andockt. (2) Unsere geistige Leistungsfähigkeit nimmt ab, während immer mehr Adenosin erzeugt und gebunden wird. (3) Wir ermüden. (4) Koffein (rot) konkurriert mit dem Adenonsin um die Bindungsstellen. Sind diese schon mit Koffein belegt, kann kein Adenosin gebunden werden. (5) Oder: Koffein verdrängt Adenosin. (6) Resultat: Wir bleiben geistig hellwach.

Ergo: Wir bleiben wach und konzentriert ! Dies funktioniert aber nicht auf Dauer: Bleibt das Adenosin-Signal aus, reagiert die Nervenzelle darauf, indem sie mehr Adenosin-Bindungsstellen ausbildet und Adenosin-Moleküle wieder gebunden werden können und die Wirkung von Koffein fortan abgeschwächt ist. Man spricht von einer Toleranzbildung ! Diese Toleranz kann schließlich soweit gehen, dass sogar Entzugserscheinungen auftreten können, die sich dann in einem stark verstärkten Rückkehren der durch das Koffein bekämpften Symptome äußern.

Krabbel die Wand ´nuf

Gewöhnung tritt durch übermäßigen Koffeinkonsum über einen ausgedehnten Zeitraum auf. Was ist jedoch, wenn man es akut übertreibt ? Die gute Nachricht: Die tödliche Dosis Koffein ist sehr hoch. Man findet stark abweichende Werte dafür, aber man kann grob über den Daumen gepeilt 150 – 200 mg Koffein je kg Körpergewicht bei oraler Aufnahme annehmen. Das sind für einen Erwachsenen von 75 kg Körpergewicht etwa 11,3 g oder 94 Tassen starken Kaffee (>11 Liter). Da reines Koffein sehr bitter ist, und 11 Liter Flüssigkeit zu verputzen auch nicht gerade angenehm ist, können wir also annehmen, dass ein Vergiftungsszenario auf diesem Wege eher unwahrscheinlich ist. Vermutlich würden wir auch vor erreichen der tödlichen Dosis bereits so hibbelig werden, dass uns die Kaffeetasse ohnehin aus der Hand fällt.

Und mit dem Stichwort hibbelig, sind wir auch schon bei unerwünschten Wirkungen bei Überdosierung: Unruhe, Zittern, beschleunigter Puls und Extrasystolen (Herzrhythmusstörung)… Ein eher unschönes Gefühl, wie ich nach dem unüberlegten Genuss einer halben Füllung meiner Mokkakanne (entspricht etwa 3 Espresso Tassen oder 1 Pott) erfahren durfte. Man hat das Gefühl gleich die Wände hochkraxeln zu können und ist bis spät in die Nacht putzmunter. Ergo: Personen, die ohnehin schon zu Panikattacken und Angststörungen neigen, sollten starken Kaffee und Energy-Drinks eher meiden. Man kann sich diese Nebeneffekte sehr schön vorstellen, wenn man sich das Netz einer Spinne unter Koffeineinfluss anguckt:

Caffeinated spiderwebs.jpg
Gemeinfrei, Link

Das Netz sieht in der Tat aus wie mit zittriger Hand und heißer Nadel gestrickt.

Wieviel Koffein ist also unbedenklich ? Eine Orientierungshilfe ist das Merkblatt „Koffein“ der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), in welchem für (gesunde, nicht schwangere) Erwachsene eine Tageshöchstdosis von <400 mg als unbedenklich angenommen wird, bei einer maximalen Einzeldosis von 200 mg Koffein.

Geplanter Koffein-Konsum

Hat man aber nun zu tief in die Kaffeetasse geguckt, dann hat man an den Nebenwirkungen erst mal eine ganze Weile Freude. Die Halbwertzeit (also die Zeit die verstreicht, bis sich die Konzentration eines Stoffes im Körper halbiert hat) beläuft sich 2,5 – 4,5 Stunden. Eine Zeitspanne, die einem bei Herzrasen sehr lange vorkommen kann. Im ungünstigen Fall haben wir selbst nach 9 Stunden immer noch ein Viertel der ursprünglichen Koffeinmenge im Körper ! Es sei denn sie sind Raucher: Nikotinkonsum reduziert die Halbwertzeit von Koffein um 30 – 50 % ! Coffee & Cigarettes sind also keine so gute Kombo, wenn wir uns mit Koffein dopen wollen ! Bei Frauen, welche die Pille nehmen, ist es genau umgekehrt. Hier kann sich die Halbwertzeit verdoppeln ! Grapefruitsaft hat einen ähnlichen Effekt !

Interessante Mischung: Koffein & Grapefruit !

Wesentlich effizienter ist die Aufnahme von Koffein: Sein Übertritt vom Verdauungstrakt ins Blut erfolgt relativ zügig und fast vollständig. Bereits nach rund 15 Minuten ist Spitzenkonzetration im Blutplasma erreicht. (Dies entspricht auch der Dauer, bis der Morgenkaffee bei mir anspringt.) Enthält der flüssige Muntermacher auch Kohlensäure sogar noch rascher (Ein Hoch auf die Cola !).

Caffeine and where to find it

Bisher haben wir Kaffee und Cola als typische Koffeinquellen ausgemacht. Doch wieviel Koffein ist darin enthalten ?

  Portion Pro Portion Konzentration (mg/L)  
Filterkaffee Tasse (150 mL) 267–800 mg 40–120 mg/L Wikipedia
Kaffee, Starbucks Tall (354 mL) 235 mg 664 mg/L Starbucks.com
Espresso 40–60 mL 100 mg 1667–2500 mg/L Wikipedia
Espresso, Starbucks 40 mL 75 mg 1875 mg/L Starbucks.com
Tee, schwarz Tasse (300 mL) 31–96 mg 103–320 mg/L gruenertee.de
Tee, Earl Grey, SB Tall (354 mL) >40 mg >113 mg/L Starbucks.com
Coca Cola Glas (0,33 L) 39 mg 118 mg/L Stiftung Warentest
Pepsi Glas (0,33 L) 34 mg 103 mg/L Stiftung Warentest
Afri Cola Glas (0,33 L) 86 mg 260 mg/L Stiftung Warentest
Red Bull Dose (0,25 L) 80 mg 320 mg/L Red Bull
Club Mate Flasche (0,5 L) 100 mg 200 mg/L gruenertee.de

Wenn man sich im Internet auf die Suche nach dem Koffeingehalt verschiedenster Lebensmittel macht, wird man feststellen, dass man für viele uneinheitliche Angaben findet. Dies ist nicht überraschend, da es sich bei Kaffee, Tee und Schokolade um Naturprodukte handelt und der Gehalt an Inhaltsstoffen natürlich schwanken kann (saisonal bedingt oder bei unterschiedlichen Sorten). Zusätzlich kommt noch der Faktor Zubereitung ins Spiel: Mahlgrad des Kaffees, Verwendete Zubereitungsmethode, Qualität des Wassers etc. Je standardisierter die Zubereitung, desto einheitlicher das Ergebnis. So lässt sich auch erklären warum der Kaffee in großen Kaffeehausketten im Mittel eine relativ konstanten Koffeingehalt hat. Bei Fertigprodukten lässt sich dies natürlich noch viel genauer steuern.

Vergleichen wir die Einträge der Gattung Kaffee, sehen wir, das ein einzelner Espresso geringer zu Buche schlägt, als eine Tasse strammer Filterkaffee (kleinere Tasse, weniger Koffein). In punkto Konzentration ist der Espresso jedoch der ungeschlagene König bei den hier betrachteten Getränken !



Quelle: Amazon.com

Quelle: Amazon.com

Aber wie so oft im Leben neigt auch hier der Mensch zu Extremen. Wem herkömmlicher Kaffee nicht genug Bumms hat, der kann spezialisierte Kaffeesorten kaufen, die den Koffeingehalt auf die Spitze treiben. Nehmen wir z.B. Kaffee der Marke Biohazard, führt man sich pro 350 mL Pott etwa 928 mg Koffein zu. Eine solche Portion überschreitet also locker die 2-fache maximale Tagesdosis.

Biohazard Coffee featuring… (Quelle: Amazon.com)

Der Hersteller verspricht „Garantierte Schlaflosigkeit“ und ein „Gefühl der Unbesiegbarkeit“. Aber damit ist er gewiss nicht der einzige Anbieter solcher Super-Kaffees… Die Konkurrenz trägt so klangvolle Namen wie Death Wish, Black Insomnia und Atomic Coffee, um nur ein paar Beispiele zu geben.

Und was ist mit Tee ?

Der passionierte Teetrinker hat darüberhinaus sicher schon mal das Wort Teein gehört und wird sich jetzt nun fragen, in wie weit dies hier eine Rolle spielt. Letztendlich handelt es sich auch bei dem Teein um Koffein. Die Unterscheidung kommt historisch durch die Form zustande, in der das Koffein vorliegt: Im Kaffee ist Koffein als Komplex an Chlorogen-Säure gebunden.

Chlorosen-Säure – Der „Sidekick“ des Koffeins

Dieser wird bei der Röstung oder spätestens bei Kontakt mit Magensäure gespalten und das Koffein freigesetzt. Die Wirkung des Koffeins tritt rasch ein. Im Tee ist das Koffein-Molekül Teil eines stabileren Polyphenol-Komplexes, der erst im Darm gespalten wird. Die Wirkung tritt später ein, hält dafür aber länger !

Sweet Caffeine…

Wer gerne süße Getränke mag, kann auch dort seinen Koffeinbedarf stillen: Cola, Energy-Drinks und artverwandte Gesöffe… Ob Pepsi oder Coke, Koffeinmäßig tun sich die beiden Marken nicht viel und sind im unteren Bereich der Skala angesiedelt. Ein 0.33 L Glas davon kratzt so gerade am unteren Rand der „Filterkaffee-Liga“. Wer den etwas härteren Cola-Kick sucht, greift zur Afri-Cola, die mit 250 mg Koffein je Liter der Spitzenreiter.

Wer sein Koffein nicht trinken mag, der kann es auch in fester Form zu sich nehmen. Neben den (allzu offensichtlichen) Koffein-Tabletten, gibt es allerhand mit Koffein angereicherte „Nahrungsmittel“. Ein altbekanntes deutsches Produkt ist Scho-Ka-Kola, eine Schokolade, die mit den Extrakten aus Kaffee und der Kolanuss angereichert wurde. Anlässlich der Olympischen Spiele 1936 als „Sportschokolade“ eingeführt, machte sie im Zweiten Weltkrieg als „Fliegerschokolade“ von sich Reden und gibt es noch heute, wenn auch in weniger martialischem Kontext. 8 Ecken dieser runden Schokolade sollen dabei dem Koffeinequivalent einer Tasse Kaffee entsprechen.

Aber es gibt auch Kartoffelchips (Marke NRG Chips) mit 350 mg je 100 g, koffeiniertes Müsli (Caffeinated Granola, 100 mg pro Portion), Koffein-Marshmallows (Marke Stay Puft, nur original mit dem Marshmallow-Mann, 100 mg pro Stück) und noch vieles andere mehr.

Der Stay Puft Marshmallow Mann (Ghostbusters, Columbia Pictures)

Wir sehen also, auch wer keinen Kaffee mag, kriegt irgendwo seine Dröhnung Koffein ab. Bei der Auswahl an Koffein-haltigem Naschwerk sollte man jedoch auf der Hut sein, denn wer lässt es schon bei einem Marshmallow oder einer Hand voll Chips bewenden ? Wehe dem, der einen Fressflash kriegt… Der kann die überflüssigen Kalorien direkt wieder abhibbeln… 🙂

  1. http://www.fr.de/wissen/entwicklung-der-pharmazie-goethe-und-das-koffein-a-548933
  2. genauer gesagt: Ein Zustand der in seinen Eigenschaften zwischen denen einer Flüssigkeit UND eines Gases existiert.

Password Panic

Manche Probleme bleiben gestern wie heute die selben: Will man sein kostbares Hab und Gut schützen bzw. unliebsame Zeitgenossen draußen halten, ist man auf einen Schließmechanismus angewiesen. In der Vergangenheit geschah dies rein mechanisch mit Schlüssel und Schloß, heute im digitalen Zeitalter greift man in zunehmendem Maße auf Passwörter zurück. Schon allein deswegen, weil man an rein digitalen Konstrukten kein Schloß anbringen kann. Und die Zahl der zu sichernden digitalen Vorgänge ist groß. Unverzichtbar (zumindest fast) sind heutzutage ja mindestens E-Mail-Postfach und Bankkarte. Hinzu kommen Entsperrungscode für das Handy, Zugangsdaten für soziale Netzwerke (Facebook, Twitter, Instagram etc.), Kundenkonten für Online Shopping (Amazon, Ebay…) und Dienstleister (Bücherei, Telekom, Stromanbieter, Pizzabote…), Online-Banking, Passwörter für die EDV des Arbeitgebers und selbst das Zahlenschloss am Fahrrad ist streng genommen ein Passwort.

(Quelle: Pixabay / succo)

(Quelle: Pixabay / succo)

Im Sinne einer Risikominimierung, sollte man natürlich für jedes „digitale Schloss“ (aka Login) ein eigenes Passwort benutzen. Ein universal Passwort ist zwar praktisch, aber fällt es einem übelgesonnten Mitmenschen in die Hände ist nicht nur ein Zugang kompromittiert, sondern direkt alle. Beim „analogen“ Schlüssel & Schloß System hat man früher alle Schlüssel einfach zu einem Schlüsselbund zusammengefasst und diesen dann mit sich herum getragen. Die Größe des Schlüsselbunds war nur durch die Größe der eigenen (Hosen-)Taschen begrenzt. Nachteil: Zerstreute Menschen mussten (und müssen) erstmal ihre Schlüssel suchen. Ein Passwort hingegen kann man nicht liegen lassen. Ein gutes Gedächtnis vorausgesetzt, hat man es immer dabei. Zumindest theoretisch, denn eine Vielzahl von Passworten (+ zugehörige Benutzernamen !) ist schwer zu merken. Das Problem wird jedoch noch komplexer !

(Quelle: Pixabay / genesis_3g)

(Quelle: Pixabay / genesis_3g)

Man hört es ja mittlerweile fast täglich in den Medien: Cybercrime greift um sich ! Raubzüge & Einbrüche geschehen schon längst nicht mehr nur im analogen Alltagsleben. Entweder werden Passworte im wahrsten Sinne des Wortes „ausgespäht“ (Psst… Hinter Ihnen geht einer, hinter Ihnen steht einer, drehen Sie sich nicht um…) oder mit raffinierten Methoden digital abgegriffen und geknackt. Zum Beispiel durch gezieltes Raten… In dem man einen Computer ein spezielles Wörterbuch durchprobieren lässt. Oder man probiert in einem einzigen großen Kraftakt (daher auch der Name Brute Force Attack) sämtliche erdenklichen Kombinationen durch. Um es dem Cybergangster nun möglichst schwer zu machen ist bei der Passwortwahl einiges zu beachten:

  • Keine Standard-Passwörter verwenden (Passwort, Geheim etc.) Das ist genauso, als würde man sein Fahrrad-Schloß auf 0000 stehen lassen.
  • Keine richtigen Wörter verwenden !
  • Möglichst schwurbelige Zeichenkombinationen verwenden und das Passwort möglichst lang wählen, damit ein Erraten möglichst lange dauert ! Bei 6 Zeichen Länge hat man, wenn man nur Zahlen verwendet 106 = 1.000.000 Kombinationen. Das ist für einen Computer noch leicht. Bei Buchstaben (nur kleine) sind es bereits 266 = 308.915.776 Kombinationen und nimmt man alles, was die Tastatur hergibt, dann sind wir schon bei 646 = 68.719.476.736 also fast 69 Milliarden Kombinationen. Wenn wir jetzt noch auf >8 Zeichen verlängern wird es noch extremer ! Das sollte einen Passwortknacker also eine weile beschäftigen !

Werden diese Kriterien vom Onlinedienst tatsächlich auch eingefordert, kann die Wahl eines neuen Passworts schnell frustrierend wirken. Gefühlt wirken diese Kriterien dann so:

Das Passwort muss
- Groß- und Kleinbuchstaben
- Zahlen
- Sonderzeichen
- eine Hieroglyphe
- eine tiefgründige Botschaft
- und das Blut einer Jungfrau
enthalten.

Das Netz ist daher voll von Passwort-Humor, wie z.B. der geschälten Ananas oder dem Bayern auf der Suche nach einem sicheren Passwort:

Geben Sie ein sicheres Passwort ein :
Leberkas

Ihr Passwort ist zu kurz:
Leberkas-Semmel
Ihr Passwort muss mindestens eine Zahl enthalten:
1Leberkas-Semmel

Ihr Passwort darf keine Leerzeichen enthalten:

50drecksleberkassemmeln

Ihr Passwort muss mindestens einen Umlaut enthalten:

50drecksleberkässemmelnzefix

Ihr Passwort muss mindestens einen Großbuchstaben enthalten:

50DRECKSLeberkässemmelnZEFIX

Ihr Passwort muss mindestens ein Sonderzeichen enthalten:

50DRECKSLeberkässemmelnZEFIX!!!!!

Ihr Passwort darf nur Großbuchstaben enthalten, die nicht aufeinanderfolgend sind:

KreizKruzeFixVerdammterScheissdreckWosnDesFiaAScheissSystem50DrEckSLeberkässemmelnZeFiX!!!!!

Ihr Passwort ist bereits vergeben, suchen Sie sich ein anderes!

 

Und dieses hochkomplexe Konstrukt sich dann auch noch zu merken ist auch nicht einfach. Dem entsprechend ist die Frustration groß ! Um sich das ganze aber dennoch irgendwie einprägen zu können gibt es diverse Kunstgriffe.

Man überlege sich zum Beispiel einen Satz wie : „Diese blöden Passworte treiben mich irgendwann nochmal in den Wahnsinn!“ und nehme jetzt nur die Anfangsbuchstaben: DbPtminidW! Und voilà ein gutes Passwort. Der Satz dient als Gedächtnisstütze, bleibt halt nur die Hürde, dass dann noch fehlerfrei und zügig einzutippen. Aber Übung macht den Meister ! Bis das Passwort mal wieder abläuft und ein neues her muß 

Alles neu macht der Mai

Nun hat er begonnen, der Wonnemonat Mai… Und obwohl wir kein kirchliches Fest begehen und auch (eigentlich)1 kein neues Jahr einleiten, ist dies kein gewöhnlicher Monatswechsel. Kaum ein Monat wird mit soviel Brimborium und Brauchtum eingeläutet wie der 1. Mai. Grund genug dieses frühlingshafte Treiben mal näher unter die Lupe zu nehmen.

Der Maibaum

Zentrales Objekt dieses Brauchtums ist vielerorts2 der Maibaum, ein großer mit Kränzen und bunten Bändern verzierter (Birken-)Stamm, der je nach Ort entweder schon am 30. April oder eben am Maifeiertag selbst, auf dem Markt einer Ortschaft oder auf dem Festplatz aufgestellt wird. Auch in Dresden gibt es einen Maibaum auf dem Altmarkt, wo alljährlich ein Frühlingsfest abgehalten wird (vermutlich damit der große Platz nicht so leer wirkt und die Baumhalterung des Striezelmarkts nicht so lange ungenutzt bleibt). Hier kann man auch sehen, wie eine Riege kräftiger Burschen in Zimmermannstracht unter Zuhilfenahme von Holzstangen, den Maibaum aufrichtet.

Aufrichten des Maibaums auf dem Altmarkt (2014)

Aufrichten des Maibaums auf dem Altmarkt (2014)

Sehr schön ist der Vorgang des Aufrichtens in der Wikipedia beschrieben, daher hier ein Zitat:

Während sich die Zuschauer meistens mit Bier und Bratwürsten die Zeit vertreiben, mühen sich die jungen Burschen damit ab, den regional auch mit Symbolen verschiedener Berufe geschmückten Maibaum in die richtige Lage zu bringen.

Uriger ist es natürlich hier einen frisch geschnittenen Baum zu verwenden (Fruchtbarkeitsritual und so), umweltfreundlicher ist es aber den Maibaum aus den Vorjahren zu recyceln. So gibt es Orte in Ostfriesland, die ihren Baum, wenn er nicht benutzt wird unter Wasser konservieren. Da viele Maibäume ohnehin von bunten Bändern „umflochten“ sind, ist es auch egal, wenn das Holz optisch schon etwas gelitten hat.

Viki-Markt.Maibaum.JPG
Von User:MattesEigenes Werk, Gemeinfrei, Link

Von Tänzern & Dieben

Mit diesem Baum kann man nun Vieles anstellen… Man kann z.B. einen Reigen darum tanzen. Wesentlich interessanter kann es jedoch werden, wenn man den Baum schon am 30. April aufstellt, so dass er in der Walpurgisnacht draußen steht. Dies sollte jedoch nicht unbewacht geschehen: In manchen Dörfern ist es nämlich Brauch zu versuchen, den Baum des Nachbardorfes zu klauen. Das Reglement wie dieser Brauch praktiziert wird ist regional unterschiedlich, besitzt aber gewisse Gemeinsamkeiten.

Vorsicht vor Dieben und Räubern (Abbildung ähnlich, muß nicht der Realität entsprechen)

Vorsicht vor Dieben und Räubern (Abbildung ähnlich, muß nicht der Realität entsprechen)

Der Baum kann gestohlen werden, sobald er als Maibaum deutlich zu erkennen ist. D.h. zumindest bereits gefällt und dekoriert wurde. Mancherorts auch erst, wenn er bereits auf dem Festplatz aufgerichtet wurde.

Um den Diebstahl zu verhindern, wird er bewacht. Dies macht also für einen erfolgreichen Diebstahl, ein Ablenken der Wache und eine gewisse Schnelligkeit erforderlich. Ab wann der Baum als geklaut gilt, gibt es unterschiedliche Kriterien:

  • Ostfriesland: Nähern sich Fremde dem Baum, legt einer der Wächter eine Hand an den Baum, dann gilt dieser als geschützt. Gelingt es den Dieben jedoch, die Wächter weg zu locken und 3 Spatenstiche gegen diesen zu führen, gilt dieser als geklaut. Er wird entsprechend markiert und kann am nächsten Morgen abgeholt werden.
  • Andernorts muss der Baum entweder mindestens um 45° (Nieder- & Oberösterreich) oder sogar ganz umgelegt werden (z.B. Sachsen). Der höchste Schwierigkeitsgrad ist erreicht, wenn der Baum komplett abtransportiert werden muss.
  • Um den Dieben die Arbeit nicht unnötig leicht zu machen, dürfen nur die gleichen Hilfsmittel verwendet werden, die beim Aufrichten verwendet wurden. Also: Wurde der Baum mit purer Muskelkraft aufgerichtet, verbieten sich technische Hilfsmittel, wie z.B. ein Kran oder ein Holzvollernter.
  • Die Polizei verhält sich bei diesem Diebereien erstaunlich kulant und drückt ein Auge zu. Wird sie jedoch zum Handeln gezwungen, weil der Diebstahl zur Anzeige gebracht wird, so gilt dies als extrem unsportlich. Der Anzeigende verstößt damit gegen die althergebrachten Sitten und gilt als ehrlos.

Der gestohlene Baum kann dann in der Regel wieder ausgelöst werden durch Entrichtung eines „Lösegelds“, das in Form von Naturalien (Bier & Essen) zu entrichten ist.

Frischverliebte & Holzklau

Am Niederrhein gibt es dann einen eng damit verwandten Brauch. Macht ein junger Mann einer jungen Frau den Hof oder handelt es sich um ein noch frisch verliebtes Pärchen, ist es von geradezu essentieller Wichtigkeit, dass der Mann der Frau einen „Mai“ als Gunstbeweis setzt. Dies geschieht natürlich auch in einer nächtlichen Nacht- & Nebel-Aktion, da der Birkenzweig ja frisch geschnitten sein soll. Und so ziehen Heerscharen von Jünglingen bewaffnet mit Bollerwagen und Wegbier durch die Wälder, möglichst unter Umgehung der staatlichen Ordnungshüter, die natürlich den frühjährlichen Forstschaden vereiteln wollen.

2016-05-03 Bonn-Beuel Maibaum fuer Bjoern.JPG
Von Sir JamesEigenes Werk, CC-BY 4.0, Link

Der Liebesmai verbleibt dann 1 Monat am Haus der Angebeteten und wird schließlich vom Mann wieder abgeholt, der dann (sofern sein Werben erhört wurde) mit einer Einladung zum Essen und einer Kiste Bier belohnt wird.

Von Hexen & Feuern

Wie bereits erwähnt kommt der Nacht auf den 1. Mai ja eine besondere Bedeutung zu. Sie ist auch als Walpurgisnacht begannt, jener Nacht, an dem sich alle Hexen auf den Blocksberg begeben um dort einen Hexensabbat abzuhalten. Dieser legendäre Berg ist jedoch eine ungenaue Ortsangabe, da verschiedene Berge diesen (Spitz-)Namen tragen. Der bekannteste ist aber wohl der Brocken im Harz (Goethes Faust sei Dank).

Kupferstich von W. Jury nach Johann Heinrich Ramberg (1829) zu Goethes Faust I (Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=893267)

Kupferstich von W. Jury nach Johann Heinrich Ramberg (1829) zu Goethes Faust I

Während nun sich die Hexen dort zum Sabbat treffen, haben die Festivitäten anderswo ein anderes Vorzeichen. Beim Hexenfeuer oder Hexenbrennen wird nicht nur ein großes Feuer entfacht, sondern auch eine hölzerne Hexenfigur auf diesen Scheiterhaufen gesetzt. Dieser Brauch findet seinen Ursprung im Aberglauben an Geister & Dämonen, die es abzuwehren gilt, wie die Rheinische Post zu berichten weiß:

Früher glaubten die Menschen, an diesem Tag des Wechsels entstehe eine Bruchkante, durch die die Geister ins Diesseits geraten. Mit Lärm werden in der „Walpurgisnacht“ Hexen und Dämonen vertrieben. (Quelle: RP)

Hexenfeuer 2014 an der Leutewitzer Windmühle

Hexenfeuer 2014 an der Leutewitzer Windmühle

Das anwesende Volk ergeht sich derweil bei Musik und Tanz (Tanz in den Mai), bei simultaner Verköstigung mit entsprechenden Getränken wie Maibock oder Maibowle. Letztere setzt sich aus einem Gemisch aus Weißwein & Sekt (2 : 1), sowie einer Zugabe von Waldmeister. An dieser Stelle ein Wort der Warnung: Der frische Waldmeister zur Aromatisierung, sollte nur sparsam eingesetzt werden, da dieser seinen Geschmack durch Cumarin erhält, welches bei einer Überdosierung zu Kopfschmerzen, Schwindel & Übelkeit führt !

Der Mai ist gekommen !

Haben wir die Walpurgisnacht und den Tanz in den Mai gut überstanden, dann gibt es auch entsprechend morgendliches Brauchtum. So erinnere ich mich z.B. daran, am 1. Mai frühmorgens von Trompetenmusik geweckt worden zu sein. Ein Trompeter, der mit dem schönen Lied „Der Mai ist gekommen !“ den Wonnemonat begrüßt !

Wenn uns die Maibowle in der Nacht nicht schon den Rest gegeben hat, dann besteht die Option, dies noch mit einem Maigang nachzuholen. Gleichsam den Ritualen an Vatertag / am Männertag, zieht man z.B. in der Region nördlich von Münster / Osnabrück mit einem Bollerwagen voll mit hochprozentiger „Flüssignahrung“ durch die Felder.

Arbeit oder nicht ?

Je nachdem wen sie Fragen (politische Orientierung !)3 ist jedoch ein anderer Aspekt wichtig: Der 1. Mai ist Tag der Arbeit oder etwas martialischer ausgedrückt Internationaler Kampftag der Arbeiterklasse. Ironischerweise ein gesetzlicher Feiertag, an dem eben gerade nicht gearbeitet wird.

  1. zumindest heutzutage !
  2. So auch am linken Niederrhein, wo ich aufgewachsen bin…
  3. Hier: Sozi / Links