Wenn ich an den Kindergarten/Grundschule zurück denke, ist mir unter Anderem eine Sache besonders lebhaft in Erinnerung geblieben: St. Martin & der zugehörige Laternen-Umzug. Schon der Schulunterricht war im Vorfeld stark von diesem Fest geprägt, denn die Laternen für den Umzug wollen ja schließlich auch gebastelt werden. Dies bedeutete natürlich jedesmal eine wahre Schlacht mit Schere, Kleber, Fotokarton und farbigem Transparentpapier. Bedingt durch die an die ganze Klasse ausgegebene Themenvorgabe/Bastelanleitung, war dann jede Grundschulklasse beim Laterne laufen dann gut zu unterscheiden.
Ein weiterer wichtiger im Vorfeld zu klärender Aspekt ist natürlich die Frage, wie man die Laterne beleuchtet: elektrisch oder traditionell mit Kerze. Da offenes Feuer in Verbindung mit Papier bei mir schon seit jeher einen gesunden Respekt hervorgerufen hat, fiel die Wahl bei mir immer auf den batteriebetriebenen Fackelstock. Da dieser aber offenbar gefühlt jedes Jahr kurz vor St. Martin eine mittelschwere Funktionsstörung hatte musste, für meine Schwester oder mich, mindestens ein neuer herbeigeschafft werden.
Ebenso gehörte zur schulischen Vorbereitung auf das Event das Einstudieren des traditionellen Liedguts: Das „St. Martins-Lied“ war natürlich Pflicht (Ich war schließlich auf einer katholischen Grundschule…) und wurde entsprechend ergänzt durch „Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne…“, „Ich geh mit meiner Laterne“, „Durch die Strassen auf und nieder“, „Lasst uns froh und munter sein“, „Bunt sind schon die Wälder“ und (etwas mundartliches muss ja auch dabei sein) „Loop, Möller, loop !“
Der St. Martins Abend fing dann erst mal mit einem ökumenischen Gottesdienst an, an welchen sich dann der Laternenumzug von der Kirche durch das Viertel bis zur Grundschule anschloß. Vorne vorweg der hl. Martin hoch zu Roß in seiner glänzenden römischen Legionärsrüstung, hinten dran eine Blaskapelle zur musikalischen Begleitung des Gesangs. An der Schule endete der Umzug dann am großen Martinsfeuer, wo dann die Sage vom hl. Martin, der seinen warmen Mantel mit dem Schwerte teilt und eine Hälfte einem Bettler schenkt, der damit vor dem Erfrierungstod gerettet wird, schauspielerisch reinszeniert wird.
An dieser Stelle betritt nun der zweite Held des Abends die Bühne: der Weckmann oder Stutenkerl. Ein aus süßem Milchweißbrot (Weck) gebackener Mann, der typischerweise mit einer kleinen Tonpfeife verziert ist. (In etwas luxuriöseren Varianten auch mit Rosinen, Mandeln und Zuckerguss erhältlich) Dieses Gebäck wird im Rheinland traditionell zu St. Martin gebacken (und schmeckt besonders gut mit Nutella) Im Anschluss an unseren Grundschulumzug erhielt jedenfalls jedes Schulkind einen solchen Weckmann zum späteren Verzehr.
Für viele Kinder folgte dann das Martinssingen, also von Tür zu Tür zu ziehen und den dortigen Bewohnern ein Martinslied vorzusingen und damit um Süßigkeiten zu erbitten. Bei meiner Familie fiel dieser Teil des Brauchtums aus, es folgte eine andere schöne Tradition: der Martinsgänsebraten mit Rotkohl und Klößen.
Wer nun eine althergebrachte Tradition hinter dem ganzen vermutet hat nur teilweise recht. Der religiöse Bezug, also der Appell an die christliche Nächstenliebe und Barmherzigkeit ist noch gar nicht so alt. Diese wurde größtenteils erst nach dem 1. Weltkrieg im Rheinland mit älteren Gebräuchen zum Martinstag verheiratet. Laternenumzüge, Martinsfeuer, Festschmaus mit Gans und das Heischelaufen der Kinder gab es aber schon vorher.
Der Martinstag am 11. November markierte übrigens den Beginn der Fastenzeit vor Weihnachten. Deswegen wurde am 11. November noch mal ordentlich geschlemmt, schon allein um alle nicht Fasten-kompatible Lebensmittel zu verbrauchen. (Man beachte parallelen zur Fastnacht, zu der man auch noch mal vor Aschermittwoch so richtig die Schwarte knacken lässt)
Nun ist das Rheinland auch eher eine Region mit hohem Anteil an Katholiken. Nun sind allzu religiöse Gebräuche wohl in letzter Zeit eher auf dem Rückmarsch. So hat sich, auch im Rheinland, mittlerweile das aus dem englischsprachigen Raum importierte Halloween bei uns etabliert. In Teil II dieses Artikels möchte ich mich also dieser Alternative einmal widmen. Stay tuned…